Midkemia Saga 05 - Gefährten des Blutes
konnte dem nur teilweise zustimmen.
»Aber wenn wir das Ziel des Überfalls waren, dann müßten diejenigen dahinterstecken, die Borric schon in Krondor ermorden wollten.«
»Wer auch immer das sein mag.« James schwieg eine Weile, dann sagte er. »Es ergibt keinen Sinn. Warum sollte jemand den Jungen umbringen wollen?«
»Um einen Krieg zwischen dem Königreich und dem Kaiserreich auszulösen.«
»Nein, das wäre zu offensichtlich. Ich meine, warum sollte jemand einen Krieg wollen?«
Locklear zuckte mit den Schultern. »Warum will überhaupt jemals jemand einen Krieg? Wir müssen herausfinden, wer im Kaiserreich den größten Vorteil aus einer unsicheren Lage an der nördlichen Grenze ziehen könnte, und der dürfte dann der wahrscheinlichste Schuldige sein.«
James nickte. »Das können wir allerdings von Krondor aus nicht erledigen.«
James wandte sich um, entdeckte Erland, der allein dastand, und ging zu ihm hinüber. Ruhig sagte er: »Du mußt rasch mit dieser Sache fertigwerden, Erland. Du mußt deinen Kummer schnell besiegen, und du mußt die Änderung der Umstände annehmen, die das Schicksal dir auferlegt hat.«
Erland blinzelte verwirrt, wie jemand, der überraschend von grellem Licht geblendet wird. »Was?«
James stellte sich vor ihn. Er legte dem jüngeren Mann die Hand auf die Schulter und sagte: »Jetzt bist du der Erbe. Du wirst unser nächster König werden. Und du trägst das Schicksal unserer Heimat auf den Schultern, wenn wir nach Kesh reiten.«
Erland schien ihn nicht zu hören. Der Prinz sagte nichts, er wandte nur den Blick nach Westen, dorthin, wo sich irgendwo in der Ferne die Karawane der Sklavenhändler befand. Endlich wendete er langsam sein Pferd und ritt zu der Stelle, wo die anderen warteten, um ihre Reise nach Süden wieder aufzunehmen, die Reise in das Herz von Groß-Kesh.
Gefangenschaft
Borric erwachte.
Er lag bewegungslos da und lauschte in das laute Gewirr der Stimmen im Lager hinein, die selbst in der Nacht nicht zur Ruhe kommen wollten. Für einen Augenblick, während er noch halb gedöst hatte, meinte er seinen Namen leise gehört zu haben.
Er setzte sich auf, blinzelte und blickte sich um. Die meisten Gefangenen hatten sich in der Nähe des Lagerfeuers hingekauert, als könnte seine Wärme und sein Licht die kalte Angst aus ihren Herzen vertreiben. Er hatte sich einen Platz so weit wie möglich vom Gestank der Abfallgrube entfernt gesucht, auf der anderen Seite der Sklaven. Während sich Borric bewegte, wurden ihm abermals die Ketten bewußt, mit denen seine Hände gefesselt waren, diese seltsam aussehenden glatten Silberdinger, die angeblich alle magischen Kräfte ausschalteten. Borric zitterte, in den Wüstennächten wurde es kalt. Man hatte ihm seine Robe und sein Hemd weggenommen und ihm nur die Hose gelassen. Er kroch auf das Lagerfeuer zu, wobei der eine oder andere seiner Mitgefangenen einen Fluch ausstieß, wenn er sich an ihm vorbeidrängelte. Doch da sie alle der Kampfgeist verlassen hatte, brauchte er nicht mehr als böse Blicke oder gemurmelte Schimpfwörter zu befürchten.
Borric schob sich zwischen zwei Männer, die sein Eindringen einfach nicht wahrnehmen wollten. Jeder lebte von Moment zu Moment in seiner eigenen Welt des Elends.
Ein Schrei gellte durch die Nacht, weil wieder eine der fünf weiblichen Gefangenen von einer der Wachen bedrängt wurde.
Früher am Abend hatte sich eine sechste Frau zu heftig zur Wehr gesetzt und der Wache, die sie vergewaltigte, die Halsschlagader aufgebissen; beide hatten den Tod gefunden, der des Mannes war allerdings rascher und weniger schmerzhaft eingetreten.
Dem mitleiderregenden Wimmern nach, welches auf den Schrei folgte, schloß Borric, daß diese Frau mehr Glück gehabt hatte. Er bezweifelte jedoch, daß überhaupt eine der Frauen Durbin lebend erreichen würde. Wenn der Sklavenhändler sie den Wachen überließ, vermied er für die nächsten Tage alle Schwierigkeiten mit den Männern. Und würde eine der Frauen die Fahrt überleben, würde sie billig als Küchenmagd verkauft werden. Keine von ihnen war jung genug, um den Ärger aufzuwiegen, mit dem es der Sklavenmeister zu tun bekäme, wenn er die Wachen von ihnen fernhalten wollte.
Als hätten ihn Borrics Gedanken angezogen, tauchte der Sklavenhändler am Lagerfeuer auf. Da stand er im rotgoldenen Schein des Lichts und zählte die Gefangenen durch. Anschließend machte er sich befriedigt zu seinem Zelt auf. Kasim. Borric hatte mitbekommen, wie sie ihn
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