Midkemia Saga 06 - Des Königs Freibeuter
du nimmst die andere Richtung. Geht nicht weiter als einen halben Tagesmarsch. Wenn die Sonne den Zenit erreicht, kehrt ihr um.«
Sie nickten und machten sich auf den Weg, rasch, aber nicht zu schnell, um keine Kraft zu verschwenden. Das Essen würde bald ihr größtes Problem werden, ohne frische Nahrung würden sie alle sterben. Ein halbes Dutzend Seeleute hatte sich bei dem Unglück verletzt oder war vom Wasser in den Lungen krank geworden. Nakor und Anthony arbeiteten hart, um ihnen zu helfen, doch sie konnten ohne Anthonys Tasche mit den Heilmitteln nur wenig ausrichten.
Während Calis und Marcus unterwegs waren, begutachteten die anderen die wenigen Gegenstände, die vom Wrack an Land gespült worden waren. Sie hatten nur noch wenige Waffen. Nicholas und Ghuda hatten noch ihre Schwerter, Calis hatte seinen Bogen, und dazu kamen einige Dolche und Messer. Ein Sack mit Zwieback war in einem kleinen Faß an den Strand getrieben. Überall auf dem Sand lagen Seile herum, und Nicholas ließ sie von den Männern einsammeln. Vielleicht konnte man einige davon noch bei der Besteigung der Klippen gebrauchen.
Brisa kam und setzte sich neben Nicholas an das erloschene Feuer. Sie betrachtete Nakor und Harry, die ihre Kräfte durch ausgiebiges Schlafen zu sparen suchten.
Sie wandte sich an Nicholas. »Kann ich dich mal etwas fragen?«
Er nickte. »Was gibt es denn?«
»Marcus …« setzte sie an und verfiel in Schweigen.
»Was ist mit ihm?«
»Du kennst ihn gut –«, versuchte sie es erneut.
Nicholas schnitt ihr das Wort ab. »Ich kenne ihn kaum.«
»Ich dachte, ihr wärt Brüder.«
»Ich dachte, du wüßtest es.«
»Was?« fragte sie.
»Wer Marcus ist.«
»Er ist der Sohn von irgendeinem Herzog, hat Harry mir gesagt. Ich wußte nicht, ob ich ihm glauben sollte.«
Nicholas nickte. »Er ist nicht mein Bruder, er ist mein Cousin.«
»Aber du hast gesagt, du kennst ihn kaum.«
»Tue ich auch nicht. Ich habe ihn erst ein paar Wochen vor dir kennengelernt. Ich wohne eigentlich nicht an der Fernen Küste.«
»Und wo wohnst du dann?«
»In Krondor«, antwortete er.
Sie nickte. »Ich hatte gehofft, du könntest mir etwas über ihn erzählen.«
Nicholas tat das Mädchen leid, denn er merkte, daß ihre Neckereien mit Marcus nur das Deckmäntelchen tieferer Gefühle gewesen waren. »Ich weiß nicht, was ich dir erzählen soll. Vielleicht kann dir einer der Soldaten helfen.«
Sie zuckte mit den Schultern. »Ist schon in Ordnung. Wir werden hier sowieso nicht mehr wegkommen.«
Nicholas meinte: »So etwas sollst du nicht sagen.« Seine Stimme klang scharf und befehlshaberisch.
Sie sah ihn mit großen Augen an, und Harry setzte sich halb im Schlaf auf und fragte: »Was?«
Er merkte, wie laut er gesprochen hatte. »Ich meinte, sag so etwas nicht, selbst wenn du es denkst. Verzweiflung ist wie eine Seuche.
Wenn wir uns aufgeben, werden wir sterben. Wir haben keine andere Wahl, als den Aufstieg die Klippen hoch zu wagen.«
Brisa legte sich neben den schnarchenden Nakor und sagte: »Ich weiß.«
Nicholas ließ seinen Blick über den Strand schweifen, doch es war noch zu früh für Marcus oder Calis. Alles was sie tun konnten, war warten.
Kurz vor Sonnenuntergang kam Calis in Sicht und nicht lange danach auch Marcus. Calis berichtete: »Ich habe nichts gefunden, was wie ein Weg aussieht oder selbst unter Schwierigkeiten zu erklimmen wäre.«
Marcus sagte: »Im Süden gibt es auch nichts.«
Nicholas sagte: »Dann versuchen wir es entweder hier oder ziehen weiter in den Süden.«
»Warum in den Süden?« wollte der erschöpfte Marcus wissen.
»Ich habe gerade gesagt, dort gibt es keinen Weg.«
»Weil wir sowieso in den Süden wollen. Wenn wir schon keine vernünftige Wahl haben, können wir uns wenigstens auf unser wahrscheinliches Ziel hin bewegen.«
Amos nickte. »Wenn wir schon etwas tun müssen, dann klingt dieser Plan am besten. Jetzt laßt uns schlafen gehen und beim ersten Tageslicht aufbrechen.«
Nakor und Anthony kamen und schleppten einiges an Holz herbei.
»Wir haben das hier auf den Felsen zum Trocken ausgelegt«, sagte der kleine Mann.
Anthony sagte: »Wenn wir eine Flamme anbekommen, sollte es eigentlich brennen.«
Calis sammelte ein wenig Holz, das vom Feuer der letzten Nacht übriggeblieben war, schnitt die verkohlten Stellen ab und schichtete es zu einem kleinen Haufen. Er nahm sein Messer und einen Feuerstein und schlug damit Funken. Bald hatte er eine kleine Flamme erzeugt, die er
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