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Midkemia Saga 06 - Des Königs Freibeuter

Midkemia Saga 06 - Des Königs Freibeuter

Titel: Midkemia Saga 06 - Des Königs Freibeuter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Feist
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Bereit?
    Bereit, die Wahrheit kennenzulernen.
    Panik machte sich in ihm breit, und der Ort war nicht mehr warm.
    Nach einer Weile sagte er: Ja.
    Ein grelles Licht versengte ihn, und er schwebte in einem Raum.
    Unter ihm saß ein kleiner Junge, der in den Armen einer rothaarigen Frau schluchzte. Ihre Lippen bewegten sich, doch er konnte nicht hören, was sie sagte. Trotzdem wußte er es. Er hatte so oft gehört.
    Sie sagte, solange sie da sei, würde ihm niemand wehtun.
    Wut durchfuhr ihn. Sie log! Sie hatten ihm viele Male weh getan.

    Das Bild verblaßte, und plötzlich war da wieder der Junge, dieses Mal einige Jahre älter, und er ging unbeholfen durch einen Flur, der zu seinem Zimmer führte. Zwei Pagen standen da, und als er an ihnen vorbeikam, tuschelten sie. Er wußte, sie sprachen über ihn und spotteten über seine Mißbildung. Tränen flössen über seine Wangen, und er rannte in sein Zimmer. Er schlug die Tür hinter sich zu und schwor sich, er würde nie, niemals wieder sein Zimmer verlassen.
    Angst und Schmerz fraßen ihn auf, und so weinte er einsam vor sich hin, bis ein Page kam und seinen Vater ankündigte.
    Er erhob sich vom Bett, wusch sich das Gesicht im Becken auf dem Nachttisch. Als sich die Tür öffnete, hatte sich der Junge wieder zusammengerissen, er wußte, sein Vater mochte ihn nicht weinen sehen. Arutha bat den Jungen, aus irgendeinem Anlaß mit in den großen Saal zu kommen, und der Junge fügte sich. Eine Staatsangelegenheit verlangte seine Anwesenheit, und er vergaß seinen Schwur. Doch diesen Schwur hatte er sich schon Hunderte von Malen geleistet, und er würde ihn noch weitere Hunderte von Malen leisten.
    Das Bild verblich abermals, und er stand mit zwei großen jungen Männern zusammen, die beide die gleiche Haarfarbe hatten wie seine Mutter. Sie spotteten über ihn, ärgerten ihn, gaben vor, sie würden ihn nicht sehen, oder nannten ihn »Äffchen«, und er rannte davon, wieder von bohrendem Schmerz getroffen.
    Weitere Bilder tauchten auf: eine Schwester, die zu begierig war, eine junge Prinzessin zu sein und nie Zeit für ihren jüngeren Bruder hatte. Eltern, deren Zeit von der Politik und vom Protokoll bestimmt wurde, Eltern, die keinesfalls immer für ihr schüchternes und verängstigtes Kind dasein konnten. Diener, die ihre Arbeit taten, aber keine Zuneigung für den jüngsten Sohn ihres Dienstherrn empfangen.
    Über die Jahre hatten sich ihm diese Bilder ins Gedächtnis eingebrannt, und als sie jetzt wieder hochkamen, hörte er Pugs Stimme. »Bist du bereit, dich dem Schmerz zu stellen?«
    Panik erfaßte Nicholas. Er murmelte, halb im Schlaf: »Ich dachte … das würde ich … schon tun.«
    Pugs Stimme war leise und flößte Vertrauen ein. »Nein, du hast dich nur erinnert. Jetzt fühlst du den Schmerz. Du mußt ihn hervorlocken und dich ihm stellen.«
    Nicholas spürte, wie ihn ein Schauder durchfuhr. »Muß ich wirklich?«
    »Ja«, antwortete die Stimme, und er fiel noch tiefer in die schwarze Leere.
    Wieder hörte er eine Stimme. Sie war leise, warm und vertraut. Er versuchte, die Augen zu öffnen; es gelang ihm nicht, doch plötzlich konnte er trotzdem sehen. Eine junge Frau mit goldenem Haar bewegte sich auf ihn zu, durch einen Gang, den er nur vage ausmachen konnte. Ihr Kleid war durchsichtig, und deutete eine reife Fülle an. Ihre Gesichtszüge lösten sich auf, als sie nach ihm griff, und er sagte: Abigail?
    Sie lachte, und er fühlte das Geräusch mehr als er es wirklich vernahm. Ich bin, wer immer du möchtest, der ich bin. Ihre sinnliche Stimme ließ ihn erschauern. Er wollte weinen, denn irgend etwas an der jungen Frau war erschreckend.
    Plötzlich stand seine Mutter vor ihm, doch so, wie er sie gekannt hatte, als er noch sehr klein war. Weiche, weiße Arme langten nach ihm und hoben ihn auf. Seine Mutter wiegte ihn an ihrem Busen und murmelte tröstend in sein Ohr. Er spürte ihren warmen Atem auf seinem Hals und fühlte sich geborgen.
    Ein warnender Ton erklang, und er machte sich davon. Ich bin kein Kind! schrie er, und eine feste Brust füllte seine Hand. Sanfte blaue Augen starrten in die seinen, und volle Lippen teilten sich. Er schob Abigail von sich und schrie: »Was bist du?«
    Plötzlich war er allein in der Dunkelheit, und er fröstelte.
    Niemand gab ihm Antwort, doch er wußte, hier in der Finsternis war noch etwas anderes anwesend. Er versuchte zu sehen, erkannte jedoch nichts. Dennoch war er nicht allein.
    Mit äußerstem Willen rief er: Was bist du?

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