Midleifcrisis
seit Jahren reden wir wirklich miteinander. Wir reden über den Rosenbubi, und sie sagt, dass ihr das alles recht geschieht und dass sie mich verstehen kann, weil sie das Gleiche erlebt hat wie ich. Sie sagt, dass sie mit dem Rosenbubi Schluss gemacht hat auf Fuerteventura und dass es diesmal endgültig ist.
Wir reden über Laura, auch wenn es schmerzlich ist.
Wir reden über die Möglichkeiten, eine gescheiterte Ehe so zu beenden, dass die Kinder möglichst wenig leiden, und ich sage ihr, dass sie das Haus behalten kann, ich will den Kindern nach ihrem Papi nicht auch noch ihr Zuhause nehmen.
Zum ersten Mal, seit wir uns kennen, reden wir über mich, über den Cowboy und den Kleinen, der sich so verwaist vorkam in unserer Ehe, und Elke sagt, dass sie sich vielleicht doch an ihn gewöhnen kann, jetzt, wo sie weiß, wer er ist.
Elke hat ganz offenbar einen Masterplan aufgestellt, dessen Endziel die Fortsetzung unserer Ehe ist, sie ist in der Erfüllung dieses Plans so tüchtig wie in allen anderen Dingen, und manchmal betrachte ich sie mit anderen Augen als zuvor und entdecke, dass hinter all dem bezaubernden Elke-Lächeln, den 1000 Freunden und der ewig gleichen Freundlichkeit ein Mädchen steckt, das sich vor einer feindlichen Umwelt fürchtet, in der es bald allein überleben muss. Seltsamerweise bringt mich Laura dichter an Elke heran, als ich in all den Jahren gewesen bin.
»Schlaf mit ihr«, sagt Laura eines Nachts, »sie hat es verdient.«
Ich sehe Laura entgeistert an.
»Du darfst das«, fährt Laura fort, »solange du mich liebst, darfst du alles. Ich schlaf ja auch mit Jan.«
Ich esse nichts mehr, verliere gut zehn Kilo in sechs Monaten und verwandele mich in ein körperliches Wrack, ein Zustand, der sich verschlimmert, als Laura beim Pixelpunk kündigt.
»Es ist nicht fair gegenüber Jan«, erklärt sie mir, »dass wir uns jeden Tag bei der Arbeit sehen.«
Ja, es ist nicht fair, schreit der Kleine in mir, aber er schreit es leise, denn er weiß, dass er Laura nur halten kann, wenn er ihr die Freiheit gibt, mit ihren beiden großen Lieben und ihrem Gewissen zu leben.
Ich vergrabe mich im Thinktank. Die Technik kommt besser voran als gedacht, Paulsen ist wirklich ein tüchtiger Mann. Ein Problem sind die benötigten Serverkapazitäten, wir bräuchten Rechner, wie die NASA sie zum Start ihrer Spaceshuttles benutzt. Doch in dieser Hinsicht ist Paulsen ganz zuversichtlich. »Die Hardware«, erklärt er dem Vorstand großspurig, »und die Übertragungsgeschwindigkeiten im Internet entwickeln sich rasant. Wenn wir so weit sind, ist auch die Welt so weit.«
Ich stürze mich für Monate auf die Entwürfe für unsere Präsentationen, das ist wenigstens etwas, was ich kann. Nottbohm und M&M verabschieden einen Stream, in dem eine grauhaarige Oma entrüstet ein Männermagazin in den Müll wirft, ein missmutiger Maurer versucht, eine Tube mit Hautcreme auszutrinken, und ein älterer Herr seinen Kanarienvogelkäfig mit Werbung für Damenbinden auslegt. Unser Slogan wird sein: »Wir haben einen Traum. Von Werbung, die ankommt. Dort, wo sie soll.«
Die Resonanz bei den Kunden ist verhalten positiv, aber der neue Markt schwächelt. Die Aktienkurse gehen erst in den Sinkflug und nach ein paar Wochen in den freien Fall. Dass Werbung im Internet eines Tages mehr Geld bringen wird als Werbung im Print oder im TV, ist nur noch ein hohles Versprechen. Alle großen Kunden drehen ihre Etats zurück, wir fangen an, uns Sorgen zu machen, und über der Karriere von LeiLa Andersson ziehen erste Wolken auf. Mal ganz abgesehen davon, dass mein sämtliches Geld in diesem Projekt steckt und es einfach nicht scheitern darf, wenn ich mein Leben künftig nicht auf einer Parkbank fristen will.
Auch über dem restlichen Leben von LeiLa verdüstert sich der Himmel.
»Mama hat geweint«, verkündet Lisa anklagend.
»Warum denn das?«, frage ich sie.
»Weil du sie nicht mehr lieb hast.«
»Hat Mama das gesagt?«
»Thilo hat’s gesagt, und der hat’s von seiner Mama.«
Thilo ist der Nachbarsjunge, etwas älter als Lisa, und ich begreife, dass sich unser merkwürdiges Modell nicht ewig aufrechterhalten lassen wird.
»Das ist komisch mit den Großen«, sage ich zu Lisa. »Manchmal mögen sie sich mehr und manchmal weniger.«
Aber Lisa ist viel zu schlau, um sich damit abspeisen zu lassen.
»Hast du Mama noch lieb?«
Ich überlege, was ich jetzt antworten soll.
»Ja, ich hab Mama noch lieb, weil sie so lieb zu euch
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