Midleifcrisis
Beisetzung erstanden hat: Es endet drei Millimeter unterhalb ihres Arsches, dazu trägt sie schwarze Netzstrümpfe, ihre Titten sind in diesem Dekolleté bestens zu sehen, dafür hat immerhin ihr Hut einen schwarzen Schleier. Ich sage: »Maria, Liebes, meine Kinder werden zur Beerdigung kommen. Ihre Mutter auch, die hat ein Anrecht darauf, sie hat die alte Dame gekannt und gepflegt. Und es ist zu früh, dass meine Kinder dich kennenlernen. Sei mir nicht böse, aber das muss ich allein machen.«
Maria ist mir durchaus böse. Um nicht zu sagen: Maria tobt.
»Du willst wieder zu deiner Frau zurück«, schreit sie.
»Du schämst dich für mich.«
»Ich bin dir peinlich, weil ich ein Schoko bin.«
»Du liebst mich nicht, du bumst mich nur.«
Wenigstens Letzteres trifft den Kern der Sache, aber es gibt Momente, in denen es selbst mir gelingt, die Klappe zu halten, und so fange ich den Kerzenhalter, den sie nach mir wirft, ziehe sie aufs Bett und tue genau das, wessen ich beschuldigt werde.
Als ich während der Trauerfeier in der Kapelle sitze, meine Tochter rechts an der Hand, mein schniefender Sohn auf dem Schoß, vibriert mein Handy, gottlob hatte ich es vorhin auf lautlos gestellt.
Als der Pastor spricht, den Birgitta offenbar nicht sehr sauber gebrieft hat, vom ewigen Licht und anderen Verheißungen, die Mutter Andersson jetzt erwarten dürfe, nicht zu vergessen das Wiedersehen mit ihrem geliebten Mann, kündigt das Zucken in meiner Jackentasche eine SMS an.
Auf dem Weg zum Grab kommt die nächste. Aber man kann bei der Beerdigung ja schlecht sein Handy zücken, wenn auch nur, um es auszustellen. Also brummelt und vibriert es, bis ich kurz vor dem Leichenschmaus endlich auf die Toilette kann, um es wutentbrannt auszumachen.
Leichenschmaus, garstiges Wort, aber immerhin sehe ich alle meine Schwestern wieder, was sonst wirklich nur zu Weihnachten passiert ist und dann auch selten alle gemeinsam, in aller Regel hatten wir Schichtdienst bei dieser betrüblichen Festivität in Mamas Wohnzimmer.
Wir unterhalten uns gedämpft und die Gespräche sind äußerst aufschlussreich für mich. Ich habe damals nie begriffen, warum Papa uns verlassen hat. Birgitta klärt mich darüber auf, dass Mama sich nach meiner Geburt offenbar kategorisch geweigert hat, Papa auch nur noch ein einziges Mal ranzulassen. Er scheint sich nach einigen Jahren der sexuellen Frustration kopfüber in einen Haufen von Affären gestürzt zu haben, die allesamt aufgeflogen sind, was die Herzlichkeit im Hause Andersson nicht eben gefördert hat. Ich erfahre, dass Mama alle ihre Töchter nacheinander ins Vertrauen gezogen hat und dass die tränenreichen Nächte an ihrer Seite bei allen dreien den Entschluss beförderten, möglichst schnell das Weite zu suchen, auch wenn sie Gewissensbisse verspürt hätten, mich in diesem Irrenhaus zurückzulassen. Ich will in diesem Zusammenhang wissen, warum ich, der Jüngste, der Einzige bin, der tatsächlich für den Fortbestand der ruhmreichen Linie gesorgt hat, und die lakonischen Antworten lauten, dass nach einer Kindheit im krisengeschüttelten Hause Andersson eben nicht alle den Wunsch hegten, diese Genmischung tatsächlich an die nächste Generation weiterzugeben. Dennoch finden alle meine großen Schwestern, dass ich inzwischen eine phänomenale Ähnlichkeit zu Papa entwickele und dass Lisa sie an den kleinen Leif erinnert, wohingegen Lars wohl mehr nach seinem toten Onkel Holger komme.
Mama hat kein Testament hinterlassen. Wir vier werden das Haus verkaufen, der Makler meint, die Lage sei nicht schlecht und es könnte 300 000 Euro bringen. Meine Schwestern haben mich allesamt mit vermögenden Schwagern versorgt, ich bin der Einzige, der die Kohle wirklich dringend braucht, und die 75 großen Scheine werden sogar steuerfrei sein, nicht zur Scheidungsmasse gehören und mich für immer aus allen Finanznöten erretten.
Die Nacht verbringe ich bei Victoria im Hotelzimmer, wo meine große Schwester und ich den Inhalt der Minibar vernichten und ich schließlich angezogen in ihrem Arm auf dem Doppelbett wegdämmere. Ich fühle mich überaus getröstet und merke mir vor, dass ich es bei Gelegenheit mal mit einer mütterlichen Frau versuchen will, der ich im Gegenzug auch Cellulite und Hängetitten verzeihen werde.
Als ich am nächsten Morgen erwache und mein Handy anstelle, finden sich nicht weniger als 28 SMS von Maria, die letzte von 7.35 Uhr morgens. Chronologisch sortiert, ergibt sich folgender
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