Midnight Breed 02 - Gefangene des Blutes-neu-ok-10.11.11
Ausstellung im Museum gespürt hatte, und dann wieder gestern Abend,
als sie neben Dante im Café stand. „Bitte sag ihm, ich komme gleich.“
„Aber gern doch.“ Nora klemmte
sich eine lose Haarsträhne hinters Ohr, strich ihr tief ausgeschnittenes
Oberteil glatt und trabte davon.
Das ist er. Er ist da. Tess
wusste, dass es Dante war, noch bevor sie seine tiefe Stimme im Vorraum hörte.
Sie ertappte sich dabei, dass sie in ihre vorgehaltene Hand lächelte. Ein
wilder Strom der Aufregung durchströmte sie beim Gedanken, dass er gekommen
war, um sie zu sehen. Und das, nachdem sie ihn gestern Abend im Park auf so
peinliche Art und Weise hatte stehen lassen.
O Gott. Dieser Hormonflash
konnte einem ja Sorgen machen. Sie war eigentlich nicht der Typ, der wegen
eines Mannes zu sabbern anfing, aber Dante löste Gefühle in ihr aus, die sie
nie zuvor gespürt hatte.
„Reiß dich zusammen“, flüsterte
sie sich zu, während sie aus ihrem Büro auf den Flur hinausging, der zum
Empfangsbereich führte.
Dante stand am hohen
Empfangstresen, ein kleines Bündel in den Armen. Nora hatte sich über den
Tresen gelehnt, um den kleinen Hund zu streicheln, sie machte gurrende
Geräusche und gab Dante einen tiefen Einblick in ihren Ausschnitt. Tess konnte
Nora nicht verübeln, dass sie mit Dante flirtete. Das war einfach seine Wirkung
auf Frauen. Nicht einmal Tess war gegen seine dunkle Anziehungskraft immun.
Seine Augen waren seit der
Sekunde, in der sie eingetreten war, fest auf sie geheftet. Tess hatte mit dem
Gedanken gespielt, kühl und unbeteiligt zu wirken oder es zumindest zu
versuchen
- vermutlich versagte sie
kläglich. Sie konnte einfach nicht anders als ihn anstrahlen, und ihre Finger
zitterten leicht, als sie die Hand an ihren Hals legte, dort seitlich, wo das
seltsame Prickeln am stärksten war.
„Das muss Harvard sein“, sagte
sie und sah sich den recht ausgezehrten Terriermischling in Dantes Armen an. „Als
ich sagte, dass ich ihn gerne mal kennenlernen würde, hätte ich nicht erwartet,
ihn schon so bald zu treffen.“
Dante runzelte die Stirn.
„Kommen wir ungelegen?“
„Nein, überhaupt nicht. Kein
Problem. Ich bin nur … überrascht, das ist alles. Du steckst eben voller
Überraschungen.“
„Ihr beiden kennt euch?“ Nora
starrte Tess mit offenem Mund an, als wollte sie ihr High Five geben.
„Wir, ähm, wir haben uns vor ein
paar Tagen kennengelernt“, stammelte Tess. „Auf der Ausstellung im Museum.
Gestern Abend sind wir uns zufällig im North End über den Weg gelaufen.“
„Ich habe mich daneben
benommen“, sagte Dante und sah sie an, als wären sie die einzigen Personen im
Raum. „Ich wollte dich gestern Abend nicht bedrängen, Tess.“
Sie wischte seine Besorgnis mit
einem Schulterzucken fort.
Am liebsten hätte sie die ganze
Sache einfach vergessen. „Es war nichts. Ich war nicht wirklich sauer. Du hast
nichts Schlimmes gemacht. Ich sollte mich bei dir entschuldigen, weil ich
einfach so davongelaufen bin.“
Noras Blick flog zwischen den
beiden hin und her, als ob die Spannung, die Tess in Dantes Nähe spürte, sich
auch auf sie übertrug. „Ich schätze, ihr beiden wärt jetzt lieber allein …“
„Nein“, antwortete Tess abrupt,
im selben Moment, als Dante ruhig „Ja“, sagte.
Nora zögerte eine Sekunde, dann
drehte sie sich um und nahm ihren Mantel und ihre Handtasche von einem Haken
hinter dem Schreibtisch. „Dann … sehen wir uns morgen früh, Tess.“
„In Ordnung. Gute
Prüfungsvorbereitung.“
Mit dem Rücken zu Dante sah Nora
Tess an und formte stumm mit den Lippen die Worte O mein Gott! , als sie
sich zum Hinterausgang aufmachte, wo ihr Wagen stand. Wenige Sekunden später
erscholl ein tiefes, rumpelndes Motorengeräusch und verklang, als Nora
davonfuhr.
Bis jetzt war Tess von Dantes
Anwesenheit so abgelenkt gewesen, dass sie kaum bemerkt hatte, in welchem
Zustand sich der kleine Hund befand. Nun aber überkam sie heftiges Mitgefühl.
Seine stumpfen braunen Augen waren halb geschlossen, und sein schwaches Hecheln
war unterlegt mit einem hörbaren Rasseln der Lungen. Schon auf den ersten Blick
war klar zu erkennen, dass der kleine Hund dringend medizinisch versorgt werden
musste.
„Kann ich ihn mir mal ansehen?“,
fragte sie, froh, ihre Aufmerksamkeit auf etwas anderes richten zu können als
auf Dante und die Spannung, die zwischen ihnen knisterte. Als er zustimmend
nickte, nahm Tess ihr Stethoskop aus der Kitteltasche und hängte es sich um
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