Midnight Breed 02 - Gefangene des Blutes-neu-ok-10.11.11
sich
erinnern konnte, glaubte er das auch.
16
Dante hob seine Augenlider. Er
rechnete damit, von weißglühenden Kopfschmerzen geblendet zu werden, aber
nichts passierte. Keine schlimmen Nachbeben, die ihn außer Gefecht setzten,
keine kalten Schweißausbrüche, keine lähmende Angst in den Knochen.
Er zwinkerte, einmal, zweimal,
und starrte zu einer weiß gekachelten Zimmerdecke hinauf, direkt über seinem
Kopf war eine ausgeschaltete Neonröhre. Seltsame Umgebung - die graubraunen
Wände, die kleine gepolsterte Couch, auf der er lag, der ordentliche hölzerne
Schreibtisch vor ihm, die aufgeräumte Tischplatte erhellt von einer
Schreibtischlampe, die neben einem Computer stand.
Er atmete ein und nahm keinen
der bekannten Gerüche wahr, keinen Rauch oder anderen Verbrennungsgestank, der
in der höllischen Wirklichkeit seiner Todesvision seine Lunge füllte. Alles,
was er roch, war eine würzig-süße Wärme, die ihn in Frieden einzuhüllen schien.
Er hob die Hände und glättete die weiche Fleece-Decke, die seinen riesigen
Körper nur teilweise bedeckte. Der plüschige, sahnefarbene Stoff roch nach ihr.
Tess.
Er drehte den Kopf, gerade als
sie aus dem Gang in den Raum hereinkam. Ihr weißer Laborkittel war fort; in
ihrer aufgeknöpften blassgrünen Strickjacke über einem beigefarbenen Oberteil
sah sie unglaublich weich und feminin aus. Ihre Jeans umspannte eng ihre Hüften
und zeigte ihm einen schmalen Streifen glatter, cremefarbener Haut, wo der Saum
ihres TShirts nicht ganz bis zu ihrem Hosenbund reichte. Sie hatte die
Haarspange aus Plastik herausgenommen und trug ihr Haar nun offen, die
honigbraunen Locken umflossen lose und glänzend ihre Schultern.
„Hi“, sagte sie und sah zu, wie
er sich aufsetzte und herumdrehte, um seine Füße auf den Teppichboden zu
stellen. „Fühlst du dich schon besser?“
„Ja.“
Seine Stimme war ein trockenes
Krächzen, aber er fühlte sich überraschend gut.
Ausgeruht. Abgekühlt. Dabei wäre
er jetzt normalerweise so verkrampft und verspannt, dass es wehtat - der
übliche Kater, der seinen Todesvisionen auf dem Fuße folgte. Einem Impuls
nachgebend, fuhr er mit der Zunge über seine Zahnreihe, tastete nach Fängen,
aber die furchterregenden Fangzähne hatten sich zurückgezogen. Er konnte normal
sehen, seine Augen waren nicht die außerirdischen doppelten Laserstrahlen, die
ihn als Angehörigen des Stammes auswiesen.
Der Sturm seiner Veränderung,
wenn sie denn überhaupt stattgefunden hatte, war vorbei.
Er zog die flauschige Decke
herunter und bemerkte, dass ihm Mantel und Stiefel fehlten. „Wo sind meine
Sachen?“
„Hier“, sie zeigte auf den
schwarzen Ledermantel, der zusammen mit seinen Doc Martens säuberlich
zusammengelegt auf einem Besucherstuhl neben der Tür ruhte. „Dein Handy liegt
auf meinem Schreibtisch. Ich habe es vor ein paar Stunden ausgeschaltet, ich
hoffe, das macht dir nichts aus. Es hat ständig geklingelt, und ich wollte dich
nicht wecken.“
Vor ein paar Stunden ?
„Wie spät ist es jetzt?“
„Viertel vor eins.“
Mist. Die Anrufe waren mit
Sicherheit aus dem Hauptquartier gekommen, dort fragten sie sich sicher schon,
wo zur Hölle er steckte. Da würde er später wohl etwas zu erklären haben.
„Harvard ruht sich übrigens aus.
Er hat ein paar Probleme, die sehr ernst sein könnten. Ich habe ihn gefüttert
und ihm Flüssigkeit und eine Infusion mit Antibiotika gegeben, die werden ihm
helfen zu schlafen. Er ist in einem der Zwinger draußen im Gang.“
Ein paar Sekunden lang war Dante
verwirrt und fragte sich, wie um alles in der Welt es sein konnte, dass sie den
Agenten kannte, und warum zum Geier er Medikamente bekommen hatte und in einem
der Hundezwinger ihrer Klinik schlief. Dann schaltete sich sein Gehirn wieder
ein, und er erinnerte sich an den verwahrlosten kleinen Köter, den er als
Mittel benutzt hatte, um sich Tess zu nähern.
„Ich würde ihn gern über Nacht
dabehalten, wenn es dir nichts ausmacht“, sagte Tess. „Vielleicht auch ein paar
Tage, dann kann ich einige Tests mit ihm durchführen und sichergehen, dass er
alles bekommt, was er braucht.“
Dante nickte. „Gut. Okay.“
Er sah sich in dem kleinen,
gemütlichen Büro um, mit seinem Minikühlschrank in der Ecke und der
elektrischen Kochplatte, neben der eine Kaffeemaschine stand. Offenbar
verbrachte Tess viel Zeit hier. „Das ist nicht der Untersuchungsraum, in dem
ich vorher war. Wie bin ich hierhergekommen?“
„Du hattest im
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