Midnight Breed 03 - Geschöpf der Finsternis-neu-ok-13.11.11
als ob du
etwas Zeit bräuchtest, um darüber nachzudenken, was ich dich gefragt habe. Also
denk nach, Tegan. Denk scharf nach. Und wenn ich zurückkomme, plaudern wir
weiter.“
Als Gideon sie in Tegans
Quartier aufsuchte, genügte Elise ein einziger Blick in sein Gesicht, und sie
wusste, dass etwas Schreckliches geschehen war.
„Es ist Lucan“, sagte er. „Er
muss mit dir reden.“ Sie nahm ihm das Handy aus der Hand und schluckte, bevor
sie sprach.
„Was ist mit ihm passiert?“,
fragte sie in den Hörer und hielt sich nicht mit einer Begrüßung auf, jetzt, da
jede einzelne Zelle ihres Körpers vor Schreck erstarrte. „Lucan, sag mir, dass
er in Ordnung ist.“
„Ich, hm, das weiß ich nicht
sicher, Elise. Hier drüben ist etwas passiert.“
Still und starr hörte sie zu,
wie Lucan ihr von Tegans Verschwinden erzählte. Seit mehreren Stunden hatten
sie ihn nicht mehr gesehen, nichts mehr von ihm gehört. Lucan wollte den Rest
des Ordens bei Sonnenuntergang mit Reichen nach Prag schicken, aber er selbst
wollte in Berlin bleiben, um nach Tegan zu suchen. Er wusste nicht genau, wo er
mit seiner Suche beginnen sollte oder wie lange es dauern würde, die Stadt nach
einem Hinweis darauf zu durchkämmen, wo er sein mochte. Weil er vermutete, dass
sie und Tegan eine Blutsverbindung eingegangen waren, war das beste Mittel,
Tegan aufzuspüren, Elise.
„Wir können uns nicht sicher
sein“, sagte Lucan, „aber ich glaube, dass Marek ihn hat. Und wenn das der Fall
ist, haben wir nicht viel Zeit, bis …“
„Ich bin schon unterwegs.“ Sie
warf Gideon, der draußen auf dem Gang wartete, einen Blick zu. „Kannst du mir
einen Flug besorgen, sofort?“
„Der Jet des Ordens ist immer
noch in Berlin, aber ich kann versuchen, einen anderen zu chartern.“
„Keine Zeit“, sagte sie. „Und
einen normalen Linienflug?“
Er runzelte besorgt die Stirn.
„Willst du wirklich einen halben Tag lang mit mehreren Hundert Leuten in einem
Flugzeug eingepfercht sein? Denkst du, du hältst das aus?“
Sie war sich keineswegs sicher,
aber davon würde sie sich verdammt noch mal nicht abhalten lassen. Selbst wenn
sie per Anhalter mit einer Maschine voll verurteilter Mörder nach Berlin
fliegen müsste, würde sie es tun, wenn sie so dafür sorgen konnte, dass Tegan
gerettet würde.
„Tu’s einfach, Gideon. Bitte.
Buch einen Flug für mich, den ersten, den du kriegen kannst.“
Er nickte und rannte im
Laufschritt über den Korridor davon, um sich um die Details zu kümmern.
„Ich komme, so schnell ich kann,
Lucan.“
Sie hörte, wie er ausatmete, die
Vorsicht in seiner Stimme.
Lucan war nicht davon überzeugt,
dass sie etwas für Tegan tun konnten, selbst wenn sie es schafften, ihn zu
finden.
„Okay“, sagte er. „Ein Wagen
wird dich abholen und zu Reichens Anwesen bringen. Wir fangen mit unserer Suche
an, sobald du angekommen bist.“
33
Der Flug nach Berlin war lang
und beanspruchte all ihre Kraft.
Elise nahm jede lange Minute,
jede Stunde, wie sie kam, entschlossen, dass sie stärker war als die Fähigkeit,
der sie so lange ausgeliefert gewesen war. Dass sie das Schlimmste inzwischen
abwenden konnte, hatte sie Tegan zu verdanken - nicht nur, weil er ihr gezeigt
hatte, wie sie ihre übersinnliche Gabe in den Griff bekommen konnte, sondern
wegen ihrer Liebe zu ihm, die sie antrieb. Selbst als die altbekannte,
tückische Migräne schon nach einer knappen Flugstunde begann, sich in ihre
Schläfen zu bohren.
Elise hielt durch, weil sie es
musste. Weil es gut möglich war, dass Tegans Leben jetzt von ihr abhing.
Gott, sie konnte jetzt nicht
versagen.
Sie konnte alles ertragen, außer
ihn zu verlieren.
Sobald das Fahrwerk an diesem
Abend auf der Landebahn aufsetzte, verdoppelte sich Elises Entschlossenheit,
Tegan zu finden und sicher nach Hause zu bringen, sogar noch. Sie rannte im
Laufschritt aus der Abfertigungshalle. Draußen wartete Lucan in einem von
Reichens Autos auf sie.
„Dir ist klar, dass Tegan mich
dafür umbringen wird, dich da hineingezogen zu haben. Falls wir ihn wirklich
finden“, sagte Lucan, als sie sich dem Wagen näherte. Sein Tonfall klang
scherzhaft, aber ihr entging nicht, dass in seinen grauen Augen keinerlei
Belustigung lag.
„Nicht falls wir ihn
finden, Lucan. Wenn wir ihn gefunden haben. Hier gibt es kein falls .“
Sie warf ihre kleine Reisetasche
hinten ins Auto und kletterte auf den Beifahrersitz. „Fahren wir. Ich will mich
heute Nacht nicht ausruhen, ehe wir jede
Weitere Kostenlose Bücher