Midnight Breed 03 - Geschöpf der Finsternis-neu-ok-13.11.11
nach
hinten gehe, könnte das Päckchen ja Beine bekommen und sich verdünnisieren,
solange ich fort bin.
So was passiert schließlich ab
und zu …“
Elise hielt dem lauernden Blick
des jungen Mannes stand.
„Das würden Sie tun?“
„Nicht umsonst.“ Sein Blick fiel
auf die Kopfhörer, die aus dem Kragen ihres Sweatshirts baumelten. „Ist es das
neue Modell? Das mit Video?“
„Oh, das ist nicht …“
Elise wollte schon ablehnend den
Kopf schütteln und dem Angestellten sagen, dass der iPod ihrem Sohn gehörte und
sie ihn nicht weggeben konnte. Außerdem brauchte sie ihn, dachte sie
verzweifelt, obwohl die Vernunft ihr sagte, dass sie sich doch hundert neue
kaufen konnte. Aber dieser hier hatte Camden gehört. Er war nun ihre einzige
greifbare Verbindung zu ihm, durch seine Musik, die er in den Tagen - oder
vielmehr Stunden - gehört hatte, bevor er zum letzten Mal sein Zuhause
verlassen hatte.
„Ach, was soll’s.“ Der
Angestellte zuckte mit den Schultern und nahm das Päckchen wieder vom
Schaltertisch. „Ich sollte sowieso keine Dummheiten machen …“
„Okay“, stieß Elise hervor,
bevor sie ihre Meinung ändern konnte. „Gut, in Ordnung, er gehört Ihnen. Sie
können ihn haben.“
Sie zog die Kabel unter ihrem
Sweatshirt hervor, schlang sie um den iPod und legte das schmale schwarze
Gehäuse vor dem Angestellten auf den Schalter. Es dauerte eine Weile, bis sie
die Hand von ihm lösen konnte. Als sie es endlich tat, verzog sie das Gesicht
in tiefstem Bedauern.
Und fester Entschlossenheit.
„Und jetzt geben Sie mir das
Päckchen.“
8
Tegan erwachte völlig erholt aus
kurzem, leichtem Schlaf, als sich der Wohnung von außen Schritte näherten. Er
erkannte den Klang von Elises leichtem, aber entschlossenem Gang, noch bevor
ein Schlüssel ins Schloss gesteckt wurde und ihre Ankunft verriet.
Fast zwei Stunden war sie fort
gewesen. Und in nur zwei weiteren Stunden würde die Sonne untergehen, und dann
konnte er endlich hier raus und sein übliches Geschäft wieder aufnehmen.
Er saß auf dem Boden, die
Ellenbogen auf die Knie gestützt, den Rücken gegen die schaumstoffgepolsterte
Wand gelehnt, und sah zu, wie sich vorsichtig die Türe öffnete und Elise
hereinschlüpfte.
Jetzt hatte sie offenbar nicht
vor, ihn mit dem schwindenden Sonnenlicht aus dem Korridor zu versengen; jetzt
war sie völlig auf ihre eigenen Bewegungen konzentriert, so als brauchte sie
all ihre Kraft dazu, den Schlüssel aus dem Schloss zu ziehen und die Tür hinter
sich zu schließen. Eine ausgebeulte Plastiktüte hing ihr vom linken Handgelenk,
die Hand war fest zur Faust geballt.
„Alles bekommen?“, fragte er,
als sie sich, die Stirn gegen die Tür gepresst, einen Augenblick ausruhte. Zur
Antwort nickte sie nur schwach. „Wieder Kopfschmerzen im Anzug?“
„Mir geht’s gut“, antwortete sie
ruhig. Mit einer Anstrengung, die sie all ihre Kraft zu kosten schien, drehte
sie sich um und ging, die rechte Hand an die Schläfe gepresst, zum Küchenblock
hinüber. „Keiner von den schlimmen Anfällen … Ich war nicht lange draußen, also
wird es gleich besser werden.“
Ohne die Einkaufstüte abzusetzen
oder ihre Daunenjacke auszuziehen, ging sie am Stepper vorbei in die enge
Nasszelle.
Jetzt war sie außerhalb seines
Blickfelds, aber Tegan hörte den Hahn laufen, Wasser lief in ein Glas. Er stand
auf und stellte sich hin, sodass er sie sehen konnte, und haderte mit sich, ob
er ihr wieder seine lindernde Trance anbieten sollte. So wie sie aussah, würde
es ihr guttun.
Gierig trank Elise das Wasser
aus, ihr zarter Hals arbeitete bei jedem Schluck. Es lag eine animalische
Wildheit in ihrem Durst, eine so primitive Gier, dass es auf Tegan auf absurde
Weise erotisch wirkte. Er überlegte, wie lange sie schon ohne das Blut eines
Stammesvampirs lebte. Es mussten mindestens fünf Jahre sein. Ihrem Körper war
der Mangel schon anzusehen, Muskelgruppen wurden schmaler, die Haut weniger
rosig und zunehmend blass. Sie würde besser mit ihrer Gabe leben können, wenn
sie von Stammesblut genährt würde, aber so lange, wie sie schon unter dem
Vampirvolk lebte, musste sie das eigentlich selbst wissen.
Sie trank mehr Wasser, und nach
ihrem dritten vollen Glas sah Tegan, dass die Spannung in ihren Schultern etwas
nachließ.
„Die Stereoanlage … machst du
sie mir bitte an?“
Tegan schickte einen mentalen
Befehl durch den Baum, und die lärmende Musik vertrieb die Stille. Sie lief
nicht auf voller Lautstärke, wie
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