Midnight Breed 03 - Geschöpf der Finsternis-neu-ok-13.11.11
gar nichts entschuldigen. Er war dieser Frau nichts schuldig, und am
allerwenigsten Erklärungen, warum er sich aufführte wie der herzlose Bastard,
als der er allgemein bekannt war.
An ihre Bitte, ihr dabei zu
helfen, ihre übersinnliche Gabe in den Griff zu bekommen, würde er keine
Sekunde verschwenden.
Sie hatte ihn überrascht mit
dieser Idee. Die Vorstellung, dass eine Frau, und dazu noch eine behütete Witwe
aus den Dunklen Häfen wie Elise, auch nur daran denken konnte, sich ihm
anzuvertrauen, aus welchem Grund auch immer, ging über seinen Horizont. Als ob
er einer wäre, dem man bei so etwas trauen konnte.
Klar. Kam überhaupt nicht in
Frage.
Elise machte es ihm leicht, dem
Thema auszuweichen. In den Stunden, seit er sie mit ihrer Bitte hatte auflaufen
lassen, hatte sie kein Wort mehr gesagt. Sie machte sich in der Wohnung zu
schaffen, machte das Bett, spülte das Frühstücksgeschirr, staubte das Regal ab,
trainierte dann dreißig Minuten auf dem Stepper und hielt sich generell so weit
von ihm entfernt, wie das bei den beengten Verhältnissen in ihrer Wohnung
möglich war.
Vor einer Weile hatte er ihr
beim Duschen zugehört und sich dabei auf seinem Platz am Boden ein kurzes
Nickerchen gegönnt, aber nun war die Dusche wieder aus und er wach, und er
hörte Elise dabei zu, wie sie sich hinter der geschlossenen Tür anzog. Sie kam
in Jeans und einem Kapuzenshirt mit dem Schriftzug der Harvard-Universität
heraus, das ihr fast bis zu den Knien reichte. Ihr kurzes, blondes Haar hatte
sie mit dem Handtuch trocken gerubbelt und es glänzte wie Gold, was das blasse
Violett ihrer Augen gut zur Geltung brachte.
Augen, die ihn kühl musterten.
Dann ging sie zum Flurschrank und zog eine weiße Daunenweste von einem
Kleiderbügel. Sie beugte sich in den Schrank und zog ein Paar braune
Wildlederstiefel hervor.
„Was machst du?“, fragte Tegan,
als sie sich wortlos ausgehfertig machte.
„Ich muss raus.“ Sie schloss die
Schranktür und zog den Reißverschluss der dicken Weste zu. „Wie du vielleicht
bemerkt hast, ist mein Kühlschrank praktisch leer. Ich habe Hunger. Ich muss
etwas essen, und dazu muss ich ein paar Sachen einkaufen.“
Tegan stand auf, er war sich
bewusst, dass er ein finsteres Gesicht machte. „Die Trance wird nicht halten,
wenn du rausgehst.“
„Dann muss ich es wohl ohne sie
schaffen.“
Ungerührt ging Elise zum
Küchenblock hinüber und nahm sich den MP3-Player, der dort lag. Sie steckte das
schmale schwarze Gehäuse in die vordere Tasche ihrer Jeans, zog die Kopfhörer
unter ihrem Sweatshirt durch und ließ sie durch den Ausschnitt vor ihrer Brust
baumeln. Den Dolch, der seit ihrer Lakaienjagd gestern Abend auf der
Küchenablage lag, ließ sie liegen, und Tegan konnte auch keine anderen Waffen
an ihr entdecken.
Sie sah ihn nicht an, als sie
die Kapuze ihres Sweatshirts über den Kopf zog. „Ich weiß nicht, wie lange ich
weg bin. Wenn du gehst, bevor ich zurück bin, würde ich es zu schätzen wissen,
wenn du abschließen könntest. Meine Schlüssel habe ich.“
Verdammt. Sie mochte hungrig
sein, wie sie sagte, aber ihrer geraden, entschlossenen Haltung war anzusehen,
dass sie etwas im Schilde führte.
„Elise“, sagte er und trat näher
an sie heran, als sie nach der Wohnungstür griff. Ein Gedanke würde schon
ausreichen, um sie aufzuhalten, wenn er das wollte. Das wusste er, und ihrem
Blick nach zu urteilen, mit dem sie sich jetzt zu ihm umdrehte, wusste sie es
auch. „Ich weiß, du bist wütend darüber, was ich vorhin sagte, aber es ist nun
mal die Wahrheit. Du bist einfach nicht in der Verfassung, um so
weiterzumachen.“
Als er wieder einen Schritt auf
sie zutrat, und eben zu dem Schluss kam, dass er ihr genauso gut sagen konnte,
was er vorhatte - nämlich, sie zu ihrer eigenen Sicherheit in ihren Dunklen
Hafen zurückzubringen -, packte sie den Türknopf, drehte ihn um und riss die
Tür auf.
Eine effektivere Waffe gegen ihn
hätte sie nicht finden können.
Von Gang und Foyer strömte
helles nachmittägliches Sonnenlicht herein. Mit einem Zischen fuhr Tegan
zurück. Er sprang aus der Bahn der sengenden Strahlen, und unter seinem Arm
hindurch, den er sich schützend vor die Augen gerissen hatte, sah er Elise, wie
sie ihm einen vielsagenden Blick zuwarf und dann ruhig nach draußen ging und
die Tür hinter sich zuzog.
Elise ließ sich Zeit damit, zum
Lebensmittelgeschäft an der Ecke zu gehen und dort ein paar Grundnahrungsmittel
einzukaufen.
Dann
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