Midnight Breed 03 - Geschöpf der Finsternis-neu-ok-13.11.11
Letzte, was man in den Dunklen Häfen von ihm gehört hatte. Elise wusste,
dass er sich Vorwürfe machte, Camdens Leben ausgelöscht zu haben - auch sie
hatte ihm deswegen Vorwürfe gemacht. Aber sie wusste auch, dass sie ihm damit
Unrecht tat, und ihn jetzt so unerwartet zu sehen, zog ihr das Herz zusammen.
Sie wollte ihm sagen, wie leid es ihr tat … wie leid ihr alles tat.
Aber diese Augen, die sie einst
voll edlem Mitgefühl und sogar Zuneigung angesehen hatten, wandten sich nun mit
einem langsamen, abweisenden Blinzeln wieder ab. Sterling Chase war nicht
länger ihr Schwager. Er war nun ein Krieger, und wenn sie hoffte, dass er ihr
Verbündeter geblieben war - immerhin war er ihr letzter lebender Verwandter -,
dann schwand diese Hoffnung dahin, als der Geländewagen aus der Innenstadt
brauste, auf dem Weg zum Hauptquartier des Ordens.
„Ist Lucan immer noch oben?“,
fragte Tegan, als Gideon ihn und die anderen bei ihrer Ankunft im Hauptquartier
begrüßte.
„Er ist vor etwa zwanzig Minuten
von seiner Patrouille zurückgekommen. Wollte lieber noch dableiben, nachdem du
angerufen hattest.“
„Gut. Ich muss ihn sehen. Ist er
im Techniklabor?“ Gideon schüttelte den Kopf. „Er ist bei Gabrielle in seinem
Quartier.
Was zum Teufel ist da los, T?“
„Sieh zu, dass sie medizinisch
versorgt wird, sie ist verletzt“, sagte Tegan statt einer Antwort und wies auf
Elises blutigen Arm. Und schon war er mit dem Buch, das Elise abgefangen hatte,
den Gang hinunter zu Lucans Privatwohnung im Hauptquartier unterwegs.
Er fand den Gen-Eins-Anführer
des Ordens im Lieblingsraum seiner Gefährtin - der Bibliothek, die von der Decke
bis zum Boden von Bücherregalen gesäumt war. Dort hing auch ein handgestickter
Gobelin, auf dem Lucan persönlich dargestellt war: Er saß unter einem
wolkenverhangenen Halbmond in einer Ritterrüstung auf einem steigenden
mittelalterlichen Schlachtross. Im Hintergrund war eine Burg auf einem Berg zu
sehen, die in Flammen stand. Rauch stieg von der Brüstung empor, die Burg wurde
offenbar belagert - Lucan hatte eine Kriegserklärung ausgesprochen.
Tegan erinnerte sich an die
Nacht, die diese kunstvollen Nadelstiche eingefangen hatten. Er erinnerte sich
an all das Gemetzel, das ihr vorangegangen war und das auf sie folgte. Er war
mit Lucan dort gewesen, als inmitten von Blut und Wahnsinn der Orden entstand -
sie beide und sechs andere hatten sich mit dem Schwur zusammengeschlossen, für
die Zukunft ihrer Rasse, des Mitternachtsvolkes, zu kämpfen.
Gott, wie lange das schon her
war, ein ganzes Leben. Viele Leben.
Der Orden hatte bis zu diesem
Moment eine Menge Tod gesehen, in den eigenen Reihen und außerhalb. Die meisten
der ursprünglichen Mitglieder waren über die Zeiten und in den vielen
Schlachten verloren gegangen. Von dem ursprünglichen Kader aus acht Kriegern
hatten nur Tegan, Lucan und Lucans älterer Bruder Marek überlebt. Und nun war
Marek zu ihrem gefährlichsten Gegner geworden, war vor Kurzem wieder aus der
Versenkung aufgetaucht und hatte sich zum Anführer der Rogues ernannt.
Als Tegan in der offenen Tür zur
Bibliothek stehen blieb, sah Lucan von einer Auswahl Farbfotos auf, die
Gabrielle vor ihm auf dem niedrigen Couchtisch in der Mitte des Raumes
ausgebreitet hatte. Sie besaß eine Gabe, die ihren künstlerischen
Schönheitssinn noch übertraf: Gabrielles Kameralinse wurde geradezu magisch von
Vampirbehausungen angezogen, sowohl den Dunklen Häfen als auch Rogue-Nestern.
Das war einer der Gründe, warum sie und Lucan sich im letzten Sommer
kennengelernt hatten. Mittlerweile war es für die Stammesgefährtin nicht
ungewöhnlich, von gelegentlichen Tagesausflügen in die Stadt und ins Umland mit
Fotos zurückzukommen, die den Ordenskriegern bei ihren nächtlichen Expeditionen
an die Oberfläche, um Rogues aufzuspüren, äußerst nützlich waren.
Aber diese spezielle Kollektion
war anders.
Selbst aus der Entfernung wurde
Tegans Blick von lebendigen, sonnenerfüllten Aufnahmen des winterlichen
Herrenhauses mit seinen Gärten angezogen. Auf den Ästen und Zweigen glitzerte
das Eis wie Diamanten, und auf einer der Aufnahmen war ein Rotkardinal in
Nahaufnahme zu sehen, der Farbklecks wirkte fast schockierend gegen den
frischen, weißen Schnee. Einige der Fotos hatte sie in der Innenstadt
aufgenommen, manche zeigten Kinder in einem der Parks der Umgebung, wie sie
eingemummt in bunte Schneeanzüge riesige Schneebälle für eine Familie von
Schneemännern rollten,
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