Midnight Breed 03 - Geschöpf der Finsternis-neu-ok-13.11.11
Tegan zu ihr herüber und setzte sich neben sie.
„Komm her. Ich versetze dich in
Trance.“
„Nein.“ Sie wich vor ihm zurück,
wollte sein Mitleid nicht.
„Nein, ich muss allein damit
fertig werden. Es ist mein Problem, wie du gesagt hast. Ich will allein damit
klarkommen.“
Zum Glück fuhr der Wagen wieder
an und bog in eine Seitenstraße ein, abseits der exklusiven
Hauptgeschäftsstraße mit ihren hell erleuchteten Boutiquen und den drängenden,
schiebenden Menschenmassen. Hier war es besser, aber immer noch fiel es ihr
schwer, den unablässigen inneren Ansturm auszuhalten. Ihr Kopf fühlte sich wie
ein kaputtes Radio an, das nur die schlechtesten Sender empfing und sie mit
unzähligen Signalen bombardierte, bis das vielstimmige Getöse sie vollkommen
auszufüllen schien.
„Finde eine, auf die du dich
konzentrieren kannst“, sagte Tegan neben ihr. Sein Atem war warm, seine Finger
sanft, aber nachdrücklich, als er ihre Hand ergriff. Sein Daumen fuhr über ihre
Haut und beruhigte sie. Erdete sie. „Alles, was du brauchst, ist eine einzige
Stimme, mit der du fertig werden kannst. Trenne sie von den anderen. Lass den
Rest los. Lass sie einfach von dir abfallen.“
Seine tiefe Stimme war fast
hypnotisch, leitete sie tiefer in den Schmerz ihrer Gabe hinein, sodass sie
lernen konnte, sie zu bändigen. Mit geschlossenen Augen folgte sie seiner
Anweisung, durchsiebte den schrecklichen Lärm, um etwas zu finden, das sich
festhalten ließ. Langsam, Stück für Stück, schälte sie die schlimmsten Stimmen
in ihrem Kopf ab, bis sie die hörte, die am wenigsten wehtat.
„Konzentriere dich auf diese
eine“, murmelte Tegan. Immer noch hielt er ihre Hand, immer noch führte er sie
mit seinen Worten und der beschützenden Wärme seiner Berührung. „Zieh eine
Stimme näher an dich ran, auch wenn dann die anderen anfangen, sich um dich
herumzulegen. Sie können dir nichts tun. Du bist stärker als deine Gabe, Elise.
Deine Macht liegt in dir, in deinem Willen.“
Sie konnte jedes seiner Worte
spüren, sie wusste, dass er die Wahrheit sagte. Mit seinen Fingern um ihre
geschlossen, seine Stimme ein tiefes Schnurren nahe an ihrem Ohr, fühlte sie,
dass sie stark sein konnte. Sie glaubte daran, dass sie es tun konnte …
„Fühle deine Kraft, Elise“,
leitete Tegan sie an. „Hier gibt es keine Panik, nur Ruhe. Deine Gabe beherrscht
dich nicht …
sondern du beherrschst sie.“
Und das tat sie wirklich, wie
sie erst jetzt erkannte - sie wusste, was Tegan ihr gerade zeigte, war nur eine
Vorahnung der Selbstbeherrschung, zu der sie eigentlich fähig war. Er öffnete
eine Tür in ihrem Unterbewusstsein, und woher ihre Stammesgefährtinnengabe auch
immer kam, Tegan führte sie in diesen inneren Ort hinein und ließ sie die Kraft
ihres eigenen Potenzials erkennen.
Es war eine Offenbarung. In
ihren Schläfen hämmerte immer noch der Ansturm von Schmerz, der von ihrer
übersinnlichen Wahrnehmung ausgelöst wurde, aber jetzt, wo sie sich
konzentrierte, die Beherrschung ihrer Gabe weiter schärfte, war es nur noch ein
stumpfes, erträgliches Pulsieren. Sie wollte damit arbeiten, ihre Grenzen
ausloten, aber die Übung erschöpfte sie. Die eine Stimme, an die sie sich
klammerte, begann ihr zu entgleiten und verschmolz mit dem schrecklichen Getöse
in ihrem Kopf.
Irgendwo außerhalb ihres
Verstandes und ihres Körpers spürte sie, wie sich der Wagen verlangsamte und
schließlich anhielt.
Die Schritte zweier Personen
näherten sich, unterlegt vom diensteifrigen Schlurfen des Fahrers, als er um
den Wagen herumging, um ihnen die Tür zu öffnen.
Sobald sich die Tür auftat, war
Tegans Berührung fort.
Elise blinzelte und hob den
Kopf. Reichen stand vor dem Wagen und küsste gerade eine atemberaubende junge
Frau mit nachtschwarzem Haar kurz auf den Mund. Sie war in einen silbrig
schimmernden Pelzmantel eingehüllt - und so weit Elise sehen konnte, trug sie
nur wenig darunter. An der Seite ihres schlanken, grazilen Halses war die Haut
gerötet, nur ein schnell verblassender, knospenartiger Fleck an der Stelle, wo
Reichen zweifellos erst vor Kurzem getrunken hatte.
„Es war mir ein Vergnügen wie
immer, meine bezaubernde Helene“, sagte er, als sie sich trennten. „Du
verwöhnst mich einfach viel zu sehr.“
Offensichtlich war die
Angelegenheit, die den Mann aus dem Dunklen Hafen in die Stadt geführt hatte,
extrem persönlicher Natur gewesen.
Der glänzende Mund der jungen
Frau kräuselte sich bei seiner charmanten
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