Midnight Breed 04 - Gebieterin der Dunkelheit-neu-ok-14.11.11
Schaden anrichten.
Das war mit
ein Grund gewesen, warum er den Orden verlassen und beschlossen hatte, nicht
mehr auf die Jagd nach Blut zu gehen. Die Stammesvampire töteten ihre
menschlichen Blutwirte praktisch nie, wenn sie Nahrung aufnahmen. Das war
alles, was sie von der schlimmsten Vampirart, den Rogues, unterschied. Diese
Blutjunkies waren es, die nicht anders konnten, die so wenig Selbstbeherrschung
hatten. Rio starrte mit wilden, durstigen Augen die junge Frau an, die da in
seinen höllischen Schlupfwinkel hineingestolpert war, und was ihn zurückhielt,
war die Angst, bei ihr die Kontrolle zu verlieren.
Das, und
weil sie freundlich zu ihm gewesen war.
Dass sie
keine Angst vor ihm gehabt hatte. Wenn auch nur, weil sie nicht sehen konnte,
was für ein Ungeheuer er in Wirklichkeit war.
Sie gab es
auf, sich weiter an der Wand entlangzutasten, und bewegte sich ins Zentrum der
kleinen Höhle. Jetzt stand Rio direkt hinter ihr, so nahe, dass die lockigen
Spitzen ihres brandroten Haars sein zerschlissenes Hemd streiften. Diese
federnde seidige Haarsträhne führte ihn schwer in Versuchung, aber Rio hielt
seine Hände an die Seiten gepresst. Er schloss die Augen und wünschte sich,
oben auf dem Felsvorsprung geblieben zu sein. Dann würde sie vielleicht immer
noch mit ihm reden und wäre nicht so starr vor Angst und keuchte nicht vor
Panik.
„Sie sollten
nicht hier sein“, sagte er schließlich, seine Stimme ein raues Knurren in der
Dunkelheit.
Erschrocken
atmete sie ein und fuhr herum, sobald ihr Gehör ihr seine Position verraten hatte.
Sie wich vor ihm zurück. Das hätte Rio eigentlich nur recht sein sollen.
„Sie
sprechen also doch Englisch“, sagte sie nach einer Weile.
„Aber Ihr
Akzent ... Sie sind kein Amerikaner?“
Er sah
keinen Grund, es abzustreiten. „Sie sind offensichtlich eine.“
„Was ist das
hier für ein Ort? Was machen Sie hier oben?“
„Sie müssen
jetzt gehen“, sagte er zu ihr. Die Worte fühlten sich zäh an, es fiel ihm
schwer, sie zwischen seinen voll ausgefahrenen Fangzähnen hervorzupressen. „Sie
sind hier nicht sicher.“ Schweigen senkte sich zwischen ihnen herab, als sie
über seine Warnung nachdachte. „Ich würde Sie gerne mal sehen.“
Rio schnitt
dem hübschen sommersprossigen Pfirsichgesicht, das in der Dunkelheit nach ihm
suchte, eine finstere Grimasse. Jetzt streckte sie auch noch die Hände aus, um
ihn zu ertasten. Er zuckte vor ihrem suchenden Arm zurück, aber entging ihr nur
knapp.
„Wissen Sie,
was unten im Dorf geredet wird?“, fragte sie, und in ihrer Stimme lag nun ein herausfordernder
Unterton. „Man sagt, dass hier oben in den Bergen ein Dämon haust.“
„Vielleicht
ist es so.“
„Ich glaube
nicht an Dämonen.“
„Vielleicht
sollten Sie aber.“ Rio starrte sie durch sein wildes Haargestrüpp an und
hoffte, dass die langen Zotteln seine glühenden Augen verbargen. „Sie müssen
gehen. Sofort.“
Langsam hob
sie den Rucksack, den sie in der Hand hatte, und hielt ihn wie einen Schild vor
sich. „Wissen Sie etwas über diese Gruft?
Denn das ist
es doch - eine alte Grabstätte und rituelle Opferkammer.
Was sind das
für Symbole an den Wänden, sind es Hieroglyphen, eine alte Schrift?“
Rio wurde
sehr, sehr still. Wenn er gedacht hatte, dass er sie einfach gehen lassen
konnte, nun, da hatte sie ihn gerade eines Besseren belehrt. Schlimm genug,
dass sie diese Höhle überhaupt schon einmal gesehen hatte. Nun war sie
wiedergekommen und stellte Vermutungen an, die der Wahrheit viel zu nahe kamen.
Er konnte sie jetzt nicht mehr gehen lassen - zumindest nicht mit intakter
Erinnerung an diesen Ort und an ihn.
„Geben Sie
mir Ihre Hand“, sagte er, so sanft er nur konnte. „Ich zeige Ihnen den Weg nach
draußen.“
Sie rührte
sich nicht. Aber das hatte er eigentlich auch nicht erwartet. „Wie lange leben
Sie schon hier in diesem Berg? Warum verstecken Sie sich hier oben? Warum darf
ich Sie nicht sehen?“
Sie stellte
eine Frage nach der anderen, mit einer Wissbegierde, die schon an ein Verhör
grenzte.
Er hörte,
wie sie einen Reißverschluss an ihrem Rucksack öffnete.
Ach, zur
Hölle noch mal. Wenn sie eine zweite Taschenlampe dabeihatte, würden seine
Kräfte nicht mehr ausreichen, sie mental auszuschalten - nicht, wenn er all
seine Konzentration dafür verbrauchte, ihre Erinnerung auszulöschen.
„Kommen Sie
her“, sagte er, schon etwas ungeduldiger. „Ich tu Ihnen nichts.“
Zumindest
würde er verdammt noch mal
Weitere Kostenlose Bücher