Midnight Breed 04 - Gebieterin der Dunkelheit-neu-ok-14.11.11
und dem eleganten Sofa in der Mitte des Wohnbereichs, wo sie
eine cremeweiße Porzellanplatte mit einem Omelette, Würstchen, Bratkartoffeln
und reichlich Toast erwartete.
Daneben
standen ein Glas Orangensaft und Kaffee, und unter dem massivsilbernen
Essbesteck klemmte eine gestärkte weiße Leinenserviette. Dem Kaffee konnte sie
nicht widerstehen, als sie hinübergegangen war, um sich anzusehen, was er ihr
gebracht hatte.
Sie warf
zwei Stück Würfelzucker in die Tasse und goss Sahne hinein, bis der Kaffee
einen hellbraunen Farbton erreicht hatte, süß und milchig, genau wie sie ihn
mochte.
„Wissen Sie,
mal abgesehen davon, dass Sie mich hier gegen meinen Willen gefangen halten,
muss ich zugeben, dass Sie Ihre Geiseln wirklich gut behandeln.“
„Sie sind
keine Geisel, Dylan.“
„Nein, schon
eher eine Gefangene. Oder zieht Ihre Spezies, wie Sie immer sagen, einen
weniger drastischen Ausdruck vor - Schutzbefohlene vielleicht?“
„Sie sind
nichts Derartiges.“
„Prima!“,
erwiderte sie mit gespieltem Enthusiasmus. „Wann kann ich dann nach Hause
gehen?“
Sie rechnete
nicht damit, dass er darauf antwortete. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück
und schlug die langen Beine übereinander, einen Knöchel über das andere Knie
gelegt. Heute war er nachdenklich, als wüsste er nicht genau, was er mit ihr
anfangen sollte. Und als sie sich auf das Sofa setzte und begann, an einer
gebutterten Toastscheibe zu knabbern, entging ihr auch nicht, dass sein
erhitzter Blick auf ihrem Körper verweilte.
Und
besonders auf ihrem Hals.
Plötzlich
klang ihr wieder in den Ohren, was er vor einigen Stunden zu ihr gesagt hatte: Ich
kann dich riechen, Dylan, und ich will dich schmecken. Ich will dich ...
Das hatte
sie sich definitiv nicht eingebildet. Seit er diese Worte durch die Tür
geknurrt hatte, waren sie ihr im Kopf geblieben, sie hatte sie praktisch auf
Endlosschleife wieder und wieder gehört. Und als er sie nun so genau
betrachtete, mit einem grüblerischen, definitiv sinnlichen Interesse, konnte
Dylan kaum atmen.
Sie senkte
den Blick auf ihren Teller und fühlte sich auf einmal sehr befangen.
„Sie starren
mich an“, murmelte sie. Es machte sie verrückt, so stumm von ihm gemustert zu
werden.
„Ich frage
mich nur gerade, wie es sein kann, dass eine intelligente junge Frau wie Sie
sich so einen Job aussucht. Das passt irgendwie nicht zu Ihnen.“
„Es passt
schon“, meinte Dylan.
„Nein“,
sagte er. „Es passt gar nicht. Ich habe einige der Artikel auf Ihrem Laptop
gelesen - einschließlich ein paar von den älteren. Die haben Sie nicht für
dieses Schundblatt geschrieben, bei dem Sie gerade angestellt sind.“
Sie nahm
einen Schluck von ihrem Kaffee, sein Lob war ihr unangenehm. „Diese Dateien
sind privat. Es passt mir ganz und gar nicht, dass Sie auf meiner Festplatte
herumschnüffeln, als wäre es Ihre eigene.“
„Sie haben
eine Menge über einen Mordfall im New Yorker Umland geschrieben. Die Artikel,
die ich auf Ihrem Laptop gelesen habe, sind schon ein paar Jahre alt, aber sie
sind gut, Dylan. Sie schreiben klug und fesselnd. Besser, als Sie denken.“
„Himmel“,
murmelte Dylan. „Sagte ich nicht eben, diese Dateien sind privat?“
„Das sagten
Sie. Aber jetzt bin ich doch neugierig. Warum hat Ihnen dieser spezielle Fall
so viel bedeutet?“
Dylan
schüttelte den Kopf und lehnte sich zurück, weg von ihrem Frühstücksteller. „Es
war meine erste Auftragsarbeit, als ich frisch vom College kam. Ein kleiner
Junge verschwand, in einem Städtchen im Norden. Die Polizei hatte weder
Verdächtige noch irgendwelche Spuren, aber es wurde vermutet, dass der Vater
etwas damit zu tun hatte. Ich wollte mir einen Namen machen, also begann ich, die
Geschichte des Mannes zu recherchieren. Er war ein genesender Alkoholiker, der
nie einen festen Job gehabt hatte, einer von diesen typischen Rabenvätern.“
„Aber war er
ein Mörder?“, fragte Rio nüchtern.
„Ich dachte,
er war es, obwohl es dafür wirklich nur Indizien gab.
Aber mein
Bauchgefühl sagte mir, dass er es war. Ich mochte ihn nicht, und ich dachte,
wenn ich nur gründlich genug suchte, würde ich schon etwas finden, um ihn
dranzukriegen. Nach ein paar Sackgassen fand ich schließlich ein Mädchen, das
früher einmal auf seine Kinder aufgepasst hatte. Als ich sie für meine Story
befragte, sagte sie mir, dass sie blaue Flecken auf dem Jungen gesehen hätte.
Sie sagte, der Typ hätte seinen Sohn geschlagen, sie hätte es sogar
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