Midnight Breed 04 - Gebieterin der Dunkelheit-neu-ok-14.11.11
selbst
einmal mit angesehen.“ Dylan seufzte. „Ich habe das alles in die Story
aufgenommen. Ich war so wild darauf, sie zu veröffentlichen, dass ich meine
Quelle nicht überprüft habe.“
„Was ist
passiert?“
„Wie sich
herausstellte, hatte der Babysitter mit dem Kerl geschlafen und noch persönlich
ein Hühnchen mit ihm zu rupfen. Er war vielleicht nicht gerade der Vater des
Jahres, aber er hat seinen Sohn nie angerührt und ihn definitiv auch nicht
umgebracht. Nachdem ich aus der Redaktion geflogen bin, ist der Fall dann
versandet. Später brachten DNA-Spuren den Tod des Jungen mit einem Mann in
Verbindung, der nebenan wohnte. Der Vater war unschuldig, und ich habe den
seriösen Journalismus an den Nagel gehängt.“
Rio hob eine
seiner dunklen Augenbrauen. „Und Sie befassen sich nur noch mit Elvis-Sichtungen
und Entführungen durch Außerirdische.“
Dylan zuckte
die Schultern. „Tja, es ging steil bergab mit mir.“
Wieder
starrte er sie an, beobachtete sie mit demselben nachdenklichen Schweigen wie
zuvor. Sie konnte nicht klar denken, wenn er sie so anstarrte. Sie fühlte sich
irgendwie bloßgestellt, verletzlich, ein Gefühl, das sie ganz und gar nicht
mochte.
„Wir reisen
heute Abend ab, wie ich gestern schon gesagt habe“, brach er die unbehagliche
Stille. „Sie werden ein frühes Abendessen bekommen, wenn Sie möchten, und zu
Sonnenuntergang werde ich kommen und Sie auf die Reise vorbereiten.“
Das klang
nicht gut. „Mich vorbereiten? Wie?“
„Wir können
nicht zulassen, dass Sie diesen Ort oder auch unser Reiseziel identifizieren
können. Bevor wir also heute Abend aufbrechen, werde ich Sie in eine leichte
Trance versetzen müssen.“
„In eine
Trance. So was wie Hypnose?“ Sie musste lachen.
„Kommen Sie,
hören Sie schon mit Ihrem Hokuspokus auf. Diese Dinge wirken bei mir sowieso nie.
Ich bin immun gegen die Macht der Suggestion, da brauchen Sie nur meine Mutter
oder meinen Boss zu fragen.“
„Das hier
ist anders. Und es wird auch bei Ihnen wirken. Das hat es schon.“
„Wovon reden
Sie - das hat es schon?“
Er zuckte
vage mit der Schulter. „An wie viel von der Fahrt von Prag hierher können Sie
sich erinnern?“
Dylan
runzelte die Stirn. Da gab es wirklich nicht allzu viel. Sie erinnerte sich
daran, wie Rio sie hinten in den Laster gestoßen hatte, und an die Dunkelheit,
als das Fahrzeug angefahren war. Sie erinnerte sich daran, dass sie große Angst
gehabt hatte und wissen wollte, wohin er sie brachte und was er mit ihr
vorhatte. Dann ... nichts.
„Ich habe
versucht, wach zu bleiben, aber ich war so müde“, murmelte sie und versuchte,
sich wenigstens an eine weitere Minute der Fahrt zu erinnern, die doch einige
Stunden gedauert haben musste.
Aber da war
rein gar nichts.
„Ich bin
unterwegs eingeschlafen. Als ich aufwachte, war ich in diesem Zimmer ...“
Das leise
Kräuseln seiner Lippen kam ihr ein wenig zu selbstzufrieden vor. „Und dieses
Mal werden Sie wieder schlafen, bis ich will, dass Sie aufwachen. Es muss
leider so sein, Dylan, tut mir leid.“
Sie wollte
einen Scherz darüber machen, wie lächerlich diese ganze Situation klang -
angefangen von dem Vampirblödsinn, den er ihr gestern hatte andrehen wollen,
bis zu diesem Gerede von Trancezuständen und Reisen zu geheimen Orten -, aber
plötzlich kam es ihr nicht mehr witzig vor.
Es schien
auf eine unmögliche Art ernst zu sein.
Plötzlich
kam ihr das Ganze nur allzu real vor.
Sie sah ihn
an, wie er so dasaß, dieser Mann, der so anders war als jeder andere Mann, den
sie je kennengelernt hatte, und etwas flüsterte in ihrem Unterbewusstsein, dass
es kein Scherz war. Alles, was er ihr gesagt hatte, war wahr, so unglaublich es
sich auch anhörte.
Dylans Blick
fiel von seinem stoischen, undurchdringlichen Gesicht auf die mächtigen Arme,
die er über seinem massigen Brustkorb verschränkt hatte. Die Tattoos, die sich
um seinen Bizeps und Unterarm wanden, sahen anders aus, als sie sie zuletzt
gesehen hatte. Sie waren jetzt heller, nur ein paar Schattierungen dunkler als
sein olivbrauner Hautton. Gestern waren die Farben Rot und Gold gewesen - da
war sie sich ganz sicher.
„Was ist mit
Ihren Armen passiert?“, platzte sie heraus. „Tattoos verändern doch nicht
einfach so ihre Farbe...“
„Nein“,
sagte er und sah hinunter auf die nun kaum sichtbaren Zeichnungen. „Tattoos
verändern nicht einfach so ihre
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