Midnight Breed 04 - Gebieterin der Dunkelheit-neu-ok-14.11.11
Farbe.
Dermaglyphen
schon.“
„Dermaglyphen?“
„Natürliche
Hautzeichnungen, die unter Stammesvampiren vorkommen. Sie werden vom Vater auf
den Sohn vererbt und dienen als Indikator der individuellen emotionalen und
physischen Verfassung.“ Rio schob die kurzen Ärmel seines T-Shirts hoch und
enthüllte mehr von dem komplizierten Muster auf seiner Haut. Wunderschöne
geschwungene und geometrische Stammeszeichen zogen sich ihm bis ganz auf die
Schultern hinauf und verschwanden unter seinem Shirt.
„Für die
Vorfahren der Rasse funktionierten die Dermaglyphen als schützende Tarnung. Die
Körper der Alten waren von Kopf bis Fuß von ihnen bedeckt. Jede neue
Stammesgeneration wird mit weniger und schlichteren Mustern geboren, da sich
die ursprüngliche Blutlinie immer mehr mit Homo-sapiens-Blut verdünnt.“
Dylan drehte
sich der Kopf, sie hatte so viele Fragen, dass sie gar nicht wusste, welche sie
zuerst stellen sollte. „Ich soll also glauben, dass Sie nicht nur ein Untoter
sind, sondern dass die Untoten sich auch noch vermehren können?“
Er sah sie
mit milder Verachtung an. „Wir sind keine Untoten. Der Stamm ist eine sehr
alte, langlebige, hybride Spezies, die vor Tausenden von Jahren auf diesem
Planeten entstand. Genetisch sind wir teils Menschen, teils Wesen aus einer
anderen Welt.“
„Wesen einer
anderen Welt“, wiederholte Dylan ruhiger, als sie gedacht hätte. „Sie meinen
... Außerirdische? Nur um das mal klarzustellen, Sie reden hier von außerirdischen
Vampiren. Verstehe ich das richtig? Ist es das, was Sie sagen?“
Rio nickte.
„Acht solcher Kreaturen mussten vor langer Zeit auf der Erde notlanden. Sie
vergewaltigten und töteten unzählige Menschen.
Irgendwann
fielen diesen Vergewaltigungen Frauen zum Opfer, die den außerirdischen Samen
aufnehmen und austragen konnten. Diese Frauen waren die ersten bekannten
Stammesgefährtinnen. Aus ihrem Schoß kam die erste Generation meiner Spezies -
des Stammes.“
Alles, was
sie da zu hören bekam, grenzte haarscharf an reinen Wahnsinn, aber Rios Ton
klang aufrichtig. Er glaubte hundertprozentig an das, was er da sagte. Und weil
er dabei so ernst war, fiel es Dylan schwer, es einfach als Unsinn abzutun.
Und
schließlich konnte sie selbst bestätigen, dass die Muster auf seiner Haut, was
immer sie auch waren, etwas getan hatten, das jeder Logik zuwiderlief. „Ihre
Dermaglyphen sind heute nur eine Spur heller als Ihre Haut.“
„Ja.“
„Aber
gestern waren sie eine Mischung von Rot und Gold, weil...“
„Weil ich
Nahrung zu mir nehmen musste“, sagte er ruhig. „Ich brauchte dringend Blut, und
zwar direkt aus einer offenen menschlichen Vene.“
Oh Himmel
noch mal. Das war ja wirklich sein Ernst.
Dylans Magen
hob sich.
„Also haben
Sie ... gestern Abend Nahrung zu sich genommen?
Wollen Sie
damit sagen, dass Sie gestern Nacht ausgegangen sind und jemandem das Blut
ausgesaugt haben?“
Fast
unmerklich nickte er. Reue lag in seinem Blick, eine Art persönliche Pein, die
ihn zur gleichen Zeit tödlich und verletzlich wirken ließ. Er saß da, offenbar
so begierig, sie davon zu überzeugen, dass er ein Monster war, aber sie hatte
in ihrem ganzen Leben noch nie einen gehetzteren Gesichtsausdruck gesehen.
„Sie haben
kein Vampirgebiss“, bemerkte sie lahm, ihr Verstand weigerte sich immer noch,
zur Kenntnis zu nehmen, was er ihr da sagte. „Haben nicht alle Vampire
Fangzähne?“
„Wir haben
sie, aber sie sind normalerweise nicht auffällig. Unsere oberen Eckzähne
verlängern sich mit dem Drang, Nahrung zu uns zu nehmen, oder als Reaktion auf
emotionalen Aufruhr. Der Prozess ist physiologisch, ähnlich wie die Reaktionen
unserer Dermaglyphen.“
Während er
sprach, beobachtete Dylan genau seinen Mund. Seine Zähne hinter den vollen,
sinnlichen Lippen waren gerade, weiß und stark. Sein Mund wirkte nicht wie
einer, der für Gräueltaten gemacht war, sondern um zu verführen. Und das machte
ihn wahrscheinlich nur noch gefährlicher. Rios wundervoll geschwungener Mund
war einer, den jede Frau auf ihrem willkommen heißen würde, ohne zu ahnen, wie
tödlich er sein könnte.
„Wegen
unserer außerirdischen Gene sind unsere Haut und Augen übersensibel gegen
Sonnenlicht“, fügte er hinzu, so ruhig, als rede er über das Wetter. „Sich ihm
länger auszusetzen ist für alle Stammesvampire tödlich. Darum sind die Fenster
tagsüber verhängt.“
„Oh“,
murmelte Dylan und merkte, dass sie verständnisvoll nickte, als ergäbe
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