Midnight Breed 04 - Gebieterin der Dunkelheit-neu-ok-14.11.11
zu wissen, dass er in schlechter Verfassung war.
Verdammt. Er
hätte sich die Vene einer der Frauen im Club nehmen sollen. Er hätte schon vor
Stunden Nahrung zu sich nehmen sollen, und jetzt wurde die Situation hier
wirklich heikel.
Den Kopf
gesenkt, die Fäuste tief in die Hosentaschen vergraben, begann Rio einen schnellen
und alles andere als anmutigen Sprint. Er dachte daran, sich einen der
städtischen Parks zu suchen. Die Obdachlosen waren den Kreaturen der Nacht wie
ihm leichte Beute.
Aber als er
in eine Seitenstraße einbog, die von der Hauptstraße abzweigte, sah er dort an
der Straßenecke eine junge Punkerin stehen, die an einer Zigarette zog. Sie
stand an ein Klinkergebäude gelehnt und beschäftigte sich mit ihren
Fingernägeln, während sie eine Rauchwolke ausstieß.
Wenn ihre
schwarzen Stiefel mit den Plateauabsätzen und ihr enger Minirock sie nicht
verrieten, dann tat es das röhrenartige Oberteil, das über ihren riesigen
Brüsten der Schwerkraft trotzte. Diese Billigvariante dessen, was Rio eben
verschmäht hatte, sah auf und entdeckte ihn, wie er sie ansah.
„Ich hab Pause,
Mann ey“, schnauzte sie und wandte sich wieder ihrer Nagelpflege zu.
Unbeirrt kam
er weiter auf sie zu, tauchte wie ein Geist aus den Schatten auf.
Sie
schnaubte angenervt. „Ick sage dir, ick hab Feierabend, wa?
Nüscht mehr
mit Ficken.“
„Das will ich
auch nicht von dir.“
„Ach wat“,
meinte sie höhnisch. „Na, dann vapiss dir, Alta...“
Rio stürzte
sich so schnell auf sie, dass sie nicht einmal mehr Zeit hatte zu schreien. Im
Bruchteil einer Sekunde überwand er die zehn Meter Entfernung zwischen ihnen und
drehte die Frau herum, sodass sie die Ziegelmauer ansah. Ihr dunkles Haar war
kurz, somit hatte er ungehinderten Zugriff auf ihren Hals. Rio biss zu wie eine
Viper, grub seine Fänge tief in nachgiebiges Fleisch und nahm einen harten Zug
aus ihrer Vene.
Sie wehrte
sich nur ganz am Anfang, zuckte unter dem ersten Schock. Aber dann wurde sie
schlaff, als sein Biss sich länger hinzog, und der Schmerz wurde zu Lust. Rio
trank schnell, schluckte in großen Zügen die Nahrung, die sein Körper so
dringend brauchte. Er leckte über die Wunde und verschloss den Biss mit seiner
Zunge. Schon in wenigen Minuten würde dort nichts mehr zu sehen sein, und was
ihre Erinnerung anging - Rio griff um ihren Kopf herum und legte ihr die Hand
über die Augen.
Es dauerte
nur eine Sekunde, um die letzten paar Minuten aus ihrem Kurzzeitgedächtnis zu
löschen. Aber im selben Moment kam ein Mann um die Hausecke und sah sie beieinander
stehen.
„He! Was
treibt ihr da?“
Der Mann war
muskulös und kahlköpfig und wirkte alles andere als erfreut. Er wischte sich
die Hände an einer fleckigen Kneipenschürze ab und bellte der Nutte etwas auf
Deutsch zu - einen strengen Befehl, dem sie unverzüglich Folge leistete. Aber
offenbar war sie dem Kerl doch nicht schnell genug. Als sie davonhuschte,
machte er einen Satz auf sie zu und rammte ihr die Faust gegen die Schläfe. Sie
wimmerte vor Schmerz und rannte um die Hausecke davon. Doch nun wollte Mr.
Macho sich offenbar Rio vorknöpfen.
„Tu dir
selber einen Gefallen und verschwinde“, knurrte Rio in einer Stimme, die nicht
mehr menschlich klang. „Das hat nichts mit dir zu tun.“
Mr. Macho
schüttelte seinen fleischigen Kopf. „Sex mit Uta hat immer mit mir zu tun.
Bezahlt wird bei mir.“
„Willst du
abkassieren? Versuch's nur“, sagte Rio leise. Jeder andere mit nur fünf Pfennig
Grips hätte es als die Warnung verstanden, als die es gemeint war.
Aber nicht
dieser Kerl. Er griff hinter sich und zog von irgendwo auf seinem Rücken ein
Messer. Das war ein tödlicher Fehler. Rio sah die Gefahr kommen, und er war
immer noch zu wütend, um es dabei bewenden zu lassen. Als der Zuhälter einen
Satz nach vorne machte, wie um Rio das Messer in die Rippen zu rammen, sprang
Rio ihn an.
Er warf den
Mann auf den Asphalt, die Hände um seinen breiten Hals geschlossen. Ein
hektischer Puls hämmerte gegen seine Handfläche, Pulsschlag auf Pulsschlag
warmes Blut rauschte hinter der rauen Haut.
Aus der
Ferne registrierte Rio den Herzschlag des Mannes, aber sein Verstand war nicht
mehr sein eigener. Nicht mehr. Sein Bluthunger war für eine Weile gestillt,
aber nun hatte die Wut ihn fest in ihren Klauen. Der Druck auf seinen Verstand,
auf seinen Willen war gnadenlos und beschwor die Dunkelheit herauf, die er am
meisten fürchtete.
Maldecido.
Monstruo.
Er spürte,
wie er in
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