Midnight Breed 05 - Gefaehrtin der Schatten-neu-ok-15.11.11
Natur
aus erster Hand bezeugen.
Ihr Magen
verkrampfte sich vor Scham, einem solchen Mann zu dienen. Seit sie einen Eid
geschworen hatte, ihn zu schützen, in Gedanken und Taten loyal zu ihm zu
stehen, fühlte sie sich wie eine Fremde in ihrer eigenen Haut. Sie hatte ihre
Gründe, zu bleiben - besonders jetzt -, aber es gab immer noch so vieles, was
sie zu ändern wünschte. Immer noch so viel zu bereuen …
Sie schob
diese Gedanken beiseite, es war gefährlich, so etwas auch nur zu denken. Wenn
Sergej Jakut den Eindruck bekam, dass ihre Loyalität zu ihm auch nur das
Geringste zu wünschen übrig ließ, würde das unmittelbare und bittere Folgen
haben.
Renata
betrat ihr Zimmer und schloss die Tür hinter sich.
Sie
schnallte ihre Waffenholster ab und legte Schusswaffen und Messer ordentlich
auf der alten Truhe am Fußende des Bettes ab. Alles tat ihr weh, Muskeln und
Knochen schmerzten von der mentalen Erschöpfung. Ihr Nacken war steif und
verspannt, sie verzog das Gesicht, als sie versuchte, die Anspannung
fortzumassieren.
Gott, bei
diesen Schmerzen brauchte sie jetzt nichts dringender als etwas Ruhe und
Frieden.
Von der
anderen Seite der Wand war ein leises Kratzgeräusch zu hören. Es tat in ihren
Ohren weh wie Nägel auf einer Schiefertafel, ihr Kopf fühlte sich so
zerbrechlich an wie eine Glasglocke.
„Rennie?“
Miras helle Mädchenstimme war leise, nur ein vorsichtiges kleines Flüstern
drang durch die Ritzen zwischen den schweren Holzbalken. „Rennie … bist du
das?“
„Ja,
Mäuschen“, antwortete Renata. Sie ging zum Kopfende des Bettes und legte ihre
Wange gegen die abgerundeten Balken der Wand. „Ich bin’s. Warum bist du denn
noch wach?“
„Weiß
nicht. Ich konnte nicht einschlafen.“
„Hast du
wieder böse Träume?“
„Mhm. Ich …
sehe ihn ständig. Den bösen Mann.“
Renata
seufzte, als sie das Zögern in diesem leisen Geständnis hörte. Sie dachte an
das warme Bad, von dem sie nur noch ein paar Minuten trennten. Es war eine
willkommene Einsamkeit, die sie in solchen Tagen mehr brauchte als alles
andere, wenn die Nachwirkungen ihrer übersinnlichen Gabe - die ihr vor zwei
Jahren auf diesem abgelegenen Waldstück das Leben gerettet hatte - ihr eine
solche Breitseite versetzten.
„Rennie?“,
kam Miras leise Stimme wieder. „Bist du noch da?“
„Ich bin
da.“
Sie stellte
sich durch die knorrigen Kieferstämme das unschuldige Gesicht vor. Sie musste
das Kind nicht sehen, um zu wissen, dass Mira wahrscheinlich die ganze Zeit
über in der Dunkelheit gesessen und gewartet hatte, Renata nach Hause kommen zu
hören, damit sie sich nicht so allein fühlte. Die letzten Tage war sie ziemlich
verstört gewesen - verständlich, bei dem, was sie mit angesehen hatte.
Ach, zur
Hölle mit dem verdammten Bad, dachte Renata heftig. Sie verbiss sich den
Schmerz, der beim Aufstehen über ihre Haut lief, streckte die Hand aus und zog
ein Harry-Potter-Buch aus ihrer Nachttischschublade.
„Hey,
Mäuschen? Ich kann auch nicht einschlafen. Wie wär’s, wenn ich zu dir
rüberkomme und dir ein bisschen vorlese?“
Miras leiser
Freudenjauchzer klang gedämpft, als hätte sie das Gesicht im Kissen vergraben,
um nicht das ganze Haus mit ihrem Aufschrei aufzuscheuchen.
Trotz ihrer
Schmerzen und ihrer Müdigkeit lächelte Renata. „Das soll dann wohl ein Ja
sein.“
Sergej Jakut
führte Nikolai in einen riesigen, offenen Raum, der früher, in der Glanzzeit
des alten Jagdhauses, wohl einmal ein Bankettsaal gewesen sein musste. Nun
standen dort keine Tisch- oder Bankreihen mehr, nur noch ein paar große
Ledersessel waren vor einem hoch aufragenden steinernen Kamin am hinteren Ende des
Raumes gruppiert, ein gedrungener Massivholzschreibtisch stand in der Nähe.
Die Felle
von Bären, Wölfen und anderen, exotischeren Raubtieren waren als Teppiche auf
dem Holzboden ausgebreitet. Über dem steinernen Kamin hing ein Elchkopf mit
einem mächtigen, knochenweißen Geweih, die dunklen Glasaugen schienen auf einen
entfernten Punkt am anderen Ende der weiten Halle gerichtet. Seine lang
verlorene Freiheit?, dachte Niko trocken, als er Jakut zu den Ledersesseln am
Feuer folgte und dort auf die einladende Geste des Gen Eins‘ Platz nahm.
Nikolai sah
sich beiläufig um und überlegte, dass dieses Jagdhaus mindestens hundert Jahre
als sein musste und ursprünglich wohl für menschliche Bewohner gebaut worden
war, obwohl man die wenigen Fenster inzwischen mit den unerlässlichen Blenden
ausgestattet
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