Midnight Breed 05 - Gefaehrtin der Schatten-neu-ok-15.11.11
hatte ihre Waffen abgelegt, aber sie ging beschützend neben dem
Kind her, und ihr kühler Blick war wachsam, als sie Mira in den Raum begleitete.
Niko konnte
nicht umhin, den seltsamen Aufzug dieses Kindes anzustarren. Der pinkfarbene
Schlafanzug und die Pantoffeln mit den Hasenohren waren ungewöhnlich, aber es
war der kurze, schwarze Schleier über dem oberen Teil ihres Gesichtes, den er
am merkwürdigsten fand.
„Renata hat
mir eine Geschichte vorgelesen“, sagte Mira, und in ihrer leisen Stimme klang
eine fröhliche Unschuld mit, die in Jakuts grobem Heim völlig deplatziert
wirkte.
„Ach was?“,
fragte der Gen Eins langsam, eher an Renata gerichtet als an das Kind. „Komm näher,
Mira. Hier ist jemand, der dich gerne kennenlernen möchte.“
Der Wächter
trat zurück, sobald Mira vor Jakut stand, aber Renatas gestiefelte Füße blieben
fest an ihrer Seite.
Zuerst
fragte Niko sich, ob das Kind vielleicht blind war, aber das kleine Mädchen
bewegte sich ohne Zögern und kam die wenigen Schritte zu Jakut und Nikolai
hinüber.
Der kleine
Kopf wandte sich Nikolai zu. Sie konnte definitiv sehen. „Hallo“, sagte sie und
schenkte ihm ein höfliches kleines Nicken.
„Hallo“,
erwiderte Nikolai. „Ich habe gehört, was neulich Nacht hier passiert ist. Du
musst sehr mutig sein.“
Sie zuckte
mit den Schultern, aber es war unmöglich ihren Gesichtsausdruck zu deuten, da
nur ihr Näschen und ihr kleiner Mund unter dem Saum ihrer Kopfbedeckung
sichtbar waren. Nikolai sah das kleine Mädchen an - diese lausbübische, kaum
einen Meter große Göre, der es irgendwie gelungen war, einen Vampir in die
Flucht zu schlagen, der den Auftrag hatte, einen der mächtigsten ihrer Art zu
ermorden. Das musste einfach ein Witz sein. Machte Jakut sich etwa über ihn
lustig? Was konnte dieses Kind nur getan haben, um den Anschlag zu vereiteln?
Nikolai sah
Jakut an und wollte ihn schon zur Rede stellen. Das musste einfach völliger
Unsinn sein. Verdammt noch mal, der Anschlag konnte sich einfach nicht so
abgespielt haben, wie er gesagt hatte.
„Nimm deinen
Schleier ab“, wies Jakut das Mädchen an, als wüsste er genau, was Niko gerade
dachte.
Ihre kleinen
Hände hoben sich und ergriffen den Saum des kurzen, schwarzen Gazestreifens.
Sie schlug den Schleier aus dem Gesicht zurück, schien aber absichtlich den
Blick gesenkt zu halten. Renata stand völlig reglos neben dem Kind, ihre Miene
gleichmütig, doch ihre Hände ballten sich zu Fäusten. Sie schien den Atem
anzuhalten, ihre Haltung war wachsam und angespannt.
„Schau uns
an, Mira“, befahl Jakut ihr, sein Mund zu einem Lächeln gekräuselt. „Schau
unseren Gast an und zeig ihm, was er wissen will.“
Langsam
hoben sich ihre dunkelbraunen Wimpern. Das Mädchen hob das Kinn, hob den Kopf
und sah Niko in die Augen.
„Herr im
Himmel“, zischte er, sich kaum bewusst, dass er überhaupt sprach, als er zum
ersten Mal in Miras Augen blickte.
Sie waren
außergewöhnlich. Die Iriskreise waren so weiß, dass sie durchsichtig wie eine
Flüssigkeit wirkten und unergründlich wie eine klare Wasserfläche. Oder eher
wie ein Spiegel, korrigierte er sich, als er tiefer hineinsah, denn er konnte
nicht anders, die verblüffende, ungewöhnliche Schönheit ihres Blickes zog ihn
immer näher.
Er wusste
nicht, wie lange er starrte - es konnten höchstens ein paar Sekunden gewesen
sein, aber nun wurden ihre Pupillen kleiner, schrumpften zu winzigen schwarzen
Nadelstichen in den endlosen Kreisen von Silberweiß. Die Farbe schimmerte und
schlug Ringe, als wäre über der ruhigen Wasseroberfläche eine Brise
aufgekommen. Unglaublich. Noch nie hatte er etwas Ähnliches gesehen. Er sah
tiefer hinein, unfähig, dem seltsamen Spiel des Lichtes in ihren Augen zu
widerstehen.
Als es sich
legte, sah Nikolai dort sein Spiegelbild.
Er sah sich
und jemand anderen … eine Frau. Sie waren nackt, ihre Körper
aneinandergepresst, glänzend vor Schweiß. Er küsste sie wild, vergrub die Hände
in ihrem glänzenden, dunklen Haar. Drückte sie unter sich, während er tief in
sie hineinstieß. Er sah sich, wie er seine Fangzähne bleckte, den Kopf senkte
und den Mund auf die zarte Neigung ihres Halses presste.
Er schmeckte
die Süße ihres Blutes, als er ihre Haut und Vene durchstieß und zu trinken
begann …
„Hölle noch
mal“, stieß er hervor und riss den Blick von der verwirrenden, allzu realistischen
Vision. Seine Stimme war rau, seine Zunge dick hinter seinen plötzlich
ausgefahrenen
Weitere Kostenlose Bücher