Midnight Breed 05 - Gefaehrtin der Schatten-neu-ok-15.11.11
Gabe waren vorüber, aber immer noch nagten unterschwellige
Kopfschmerzen an ihr. Ihr Magen spielte immer noch verrückt, kleine Wellen des
Schwindels leckten an ihr wie eine langsam verebbende Flut.
Renata
schloss Miras Tür und zitterte unter einem erneuten Krampfanfall. Das lange
Bad, von dem sie eben kam, hatte ihr Unbehagen etwas gelindert, aber unter
ihrer weiten anthrazitgrauen Yogahose und dem weichen, weißen Baumwolloberteil
prickelte ihre Haut noch immer, wund von der knisternden elektrischen Strömung,
die unter ihr floss.
Renata rieb
ihre Handflächen über die Ärmel ihres T-Shirts und versuchte, etwas von dem
feurigen Brennen zu vertreiben, das ihr die Arme hinunterrann. Zu aufgekratzt
zum Schlafen, ging sie in ihr Zimmer, nur so lange, um das kleine Bündel aus
der Waffenkiste zu holen, in dem ihre Dolche waren. Training war immer ein
willkommenes Ventil für ihre Rastlosigkeit. Sie genoss die Stunden der
physischen Anstrengung, die sie über sich verhängte wie eine Strafe, froh über
das strenge Trainingsprogramm, das sie völlig erschöpfte, abhärtete.
Seit der
schrecklichen Nacht, in der sie so unerwartet in Sergej Jakuts gefährliche Welt
gestoßen worden war, hatte Renata jeden Muskel ihres Körpers zu seiner
Bestleistung gebracht, unermüdlich daran gearbeitet, um sicherzugehen, dass sie
so schnell und tödlich war wie die Waffen, die sie nun in der Hülle aus Samt
und Seide in den Händen hielt.
Überleben.
An diesem
einfachen Leitgedanken hatte sie sich festgehalten, seit sie ein kleines
Mädchen war - sogar noch jünger als Mira. Und so allein. Als Waise in der
Kapelle eines Montrealer Klosters ausgesetzt, hatte Renata keine Vergangenheit,
keine Familie, keine Zukunft. Sie existierte, das war alles.
Und Renata
hatte das immer genügt, selbst jetzt noch.
Ganz
besonders jetzt, da sie sich in der tückischen Unterwelt von Sergej Jakuts
Reich zurechtfinden musste.
Hier war sie
von Feinden umgeben, sowohl heimlichen als auch offenen. Unzählige
Gelegenheiten für sie, einen falschen Schritt zu tun, etwas Falsches zu sagen.
Endlose Gelegenheiten, um den skrupellosen Vampir zu verärgern, der ihr Leben
in den Händen hielt, und schließlich einen schrecklichen, blutigen Tod zu
sterben. Aber nicht, ohne ihm einen Kampf zu liefern.
Ihr Mantra
seit frühester Kindheit diente ihr hier genauso gut: einfach nur den nächsten
Tag überleben. Und dann noch einen und noch einen.
In dieser
Gleichung war kein Platz für Schwäche. Keine Zugeständnisse an Mitleid, Scham
oder Liebe. Besonders nicht Liebe, in keiner Form. Renata wusste, dass ihre
Zuneigung zu Mira - der mütterliche Instinkt, es dem Kind einfach zu machen, es
zu beschützen wie eine Angehörige - sie letztlich vermutlich teuer zu stehen
kommen würde.
Sergej Jakut
hatte nicht gezögert, diese Schwäche auszunutzen: Renatas Narben bewiesen das
nur allzu deutlich.
Aber sie war
stark. Ihr Schicksal hatte ihr nicht mehr aufgebürdet, als sie tragen konnte,
körperlich oder sonst wie. Sie hatte alles überlebt. Sie war schnell und stark,
und wenn es sein musste tödlich.
Renata trat
aus dem Haus und schritt durch die Dunkelheit zu einem der Gebäude am hinteren
Ende des Grundstücks. Der Jäger, der dieses Jagdhaus ursprünglich gebaut hatte,
musste sehr an seinen Hunden gehangen haben. Ein alter Hundezwinger aus
Holzplanken stand hinter dem Wohnhaus, wie ein Stall angelegt, mit einem weiten
Hof in der Mitte und langen, abgezäunten Zwingerboxen an allen vier Seiten.
Darüber erhob sich ein offener Dachstock in etwa viereinhalb Meter Höhe.
Obwohl der
Raum nur klein war, war er offen und luftig.
Es gab noch
einen größeren Schuppen neueren Datums auf dem Gelände, wo man mehr
Bewegungsspielraum hatte, aber Renata mied ihn.
Das eine Mal
an diesem dunklen, feuchten Ort hatte ihr völlig ausgereicht. Wenn es nach ihr
ginge, würde sie das verdammte Ding zu Asche niederbrennen.
Renata
drückte auf den Lichtschalter neben der Zwingertür und verzog das Gesicht, als
die nackte Glühbirne den Raum mit grellem, gelbem Licht überflutete. Sie ging
hinein, über den glatten, festgestampften Lehmboden, vorbei an den
herabbaumelnden Enden von zwei langen geflochtenen Lederriemen, die um den
mittleren Querträger der Dachkonstruktion geschlungen waren.
Am hinteren
Ende des Zwingers stand ein hoher Holzpfosten, an dem früher viele kleine
Eisenhaken und Schlingen befestigt waren, um Hundeleinen und andere Ausrüstung
aufzuhängen. Renata hatte
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