Midnight Breed 05 - Gefaehrtin der Schatten-neu-ok-15.11.11
ließ, würde er ihm sofort eine
Gehirnwäsche verpassen.
Niko
entriegelte das Schloss und drehte den Türknopf. Er wich vor dem Streifen
Tageslicht zurück, das durch den Türspalt ins Zimmer fiel, und postierte sich
hinter der Tür, als sie aufschwang.
„Renata?
Kann ich eine Minute reinkommen?" Ein abgewetzter brauner Cowboystiefel
trat über die Schwelle.
„Ich dachte,
ich schau heute Morgen mal nach euch, bevor ich im Haus mit den Kids zu tun
habe."
Als der Mann
in abgetragenen Levi's und einem weißen Baumwollunterhemd eintrat, legte
Nikolai die Hand auf die Tür und drückte sie zu, um den Morgensonnenschein
auszusperren. Er maß den alten Mann mit einem Blick, nahm das zerfurchte
Gesicht, die klugen Augen und die silbrige, militärisch kurz geschnittene
Bürstenfrisur in sich auf. Er war ein Bär von Mann. Schon etwas schlaff um die
Taille, etwas gebeugt um die Knie, aber seine tätowierten Arme waren
sonnengebräunt und immer noch fest, und seine Muskeln sprachen eine deutliche
Sprache: Jack mochte vielleicht alt sein, aber er war keiner, der vor harter
körperlicher Arbeit zurückscheute.
„Sie müssen
Jack sein", sagte Nikolai und gab sich Mühe, so zu sprechen, dass seine
Fangzähne hinter den Lippen verborgen blieben.
„Stimmt."
Ein leichtes Nicken, als Nikolai einer ähnlichen Musterung unterzogen wurde.
„Und Sie sind Renatas Freund ... sie, äh, ist letzte Nacht nicht dazu gekommen,
mir Ihren Namen zu verraten."
Offenbar war
das bernsteingelbe Glühen aus Nikos blauen Augen verschwunden, denn Jack hätte
ihm nie und nimmer die Hand entgegengestreckt, wenn er in ein gespenstisches
Augenpaar gestarrt hätte, das Funken versprühte wie ein Hochofen.
„Ich bin
Nick", sagte er, fürs Erste wollte er lieber nahe an der Wahrheit bleiben.
Er schüttelte dem ehemaligen Soldaten kurz die Hand. „Danke, dass Sie uns aus
der Patsche geholfen haben."
Jack nickte.
„Sie sehen heute Morgen schon viel besser aus, Nick. Freut mich zu sehen, dass
Sie wieder auf den Beinen sind. Wie geht's Renata?"
„Ganz gut.
Sie ist im Badezimmer."
Er sah
keinen Grund, die Entzündung zu erwähnen. Es war unnötig, den wohlmeinenden
Jack so zu beunruhigen, dass er von Ärzten oder Fahrten ins Krankenhaus anfing.
Allerdings
sah Renatas Wunde wirklich nicht gut aus. Wenn der Heilungsprozess nicht bald
ernsthafte Fortschritte machte, würde ihnen nichts anderes übrig bleiben, als
in die nächstbeste Notaufnahme zu fahren.
„Ich werde
nicht fragen, wie sie sich dieses Loch in der Schulter eingehandelt hat",
sagte Jack und beobachtete Nikolai genau. „In dem Zustand, in dem ihr beiden
gestern Nacht wart, und weil ich einen offenbar gestohlenen Lieferwagen für
medizinisches Gerät verschwinden lassen musste, würde ich darauf tippen, dass
ihr mit Drogen zu tun habt. Aber ich weiß, dass Renata zu schlau ist für so
was. Ich glaube keine Minute lang, dass sie sich in Drogengeschichten
reinziehen lassen würde. Sie wollte mir nichts davon erzählen, und ich habe ihr
versprochen, ich würde sie nicht bedrängen. Ich halte mein Wort."
Niko hielt
dem festen Blick des alten Mannes stand. „Ich bin sicher, das weiß sie zu
schätzen. Das tun wir beide."
„Ja",
meinte Jack gedehnt; seine stählernen Augen verengten sich. „Aber eins würde
mich doch interessieren.
Sie war die
letzten paar Jahre verschollen ... hatten Sie was damit zu tun?"
Es war nicht
als offene Anschuldigung formuliert, aber es war offensichtlich, dass sich der
alte Mann Sorgen um Renata machte und nun den Eindruck hatte, dass ihr langes
Verschwinden ihr nicht notwendigerweise gutgetan hatte.
Mann, wenn
er wüsste, was sie durchgemacht hatte. Die Schussverletzung, die sie jetzt
hatte, war nur die Spitze eines üblen sibirischen Eisberges.
Nikolai
schüttelte den Kopf. „Ich kenne Renata erst seit wenigen Tagen, aber ich kann
Ihnen sagen, dass Sie recht haben - sie ist zu klug, um sich Drogenprobleme
aufzuhalsen. Darum geht es hier nicht, Jack. Aber sie ist in Gefahr. Der
einzige Grund, warum ich hier stehe, ist, dass sie gestern ihren Hals riskiert
hat, um mich aus einer ganz üblen Lage herauszuholen."
„Klingt ganz
nach Renata", meinte Jack, mit einer Miene irgendwo zwischen Stolz und
Besorgnis.
„Weil sie
mir zu Hilfe gekommen ist, ist man jetzt hinter uns her. Wir sind in
Lebensgefahr."
Jack
grunzte, als er zuhörte, die stacheligen Augenbrauen gerunzelt. „Hat sie Ihnen
erzählt, woher wir uns kennen?"
„Ein
wenig", sagte Niko.
Weitere Kostenlose Bücher