Midnight Breed 06 - Gesandte des Zwielichts-neu-ok-16.11.11
Armeslänge von Claire
entfernt war. Seine Waffe blieb unverwandt auf sein Ziel gerichtet. Als er sich
näherte, stieß Andreas ein wildes Knurren aus. Die Hitze, die er ausstrahlte,
wurde jetzt stärker, und die feinen Härchen in ihrem Nacken richteten sich auf.
„Bitte“, schaffte sie endlich zu krächzen. „Sie
haben keine Ahnung, was Sie tun. Legen Sie die Waffe nieder.“
Die Augen des Agenten schossen nur einen
Sekundenbruchteil zu ihr hinüber, als wollte er abschätzen, ob sie klar im Kopf
war - oder völlig von Sinnen.
„Treten Sie zur Seite, Frau Roth. Ich habe
klare Befehle und beabsichtige, sie auszuführen.“
Den klaren Befehl, Andreas unverzüglich zu
töten. Die Erkenntnis drang in ihr Bewusstsein wie Gift.
Sie waren tatsächlich eine Todesschwadron,
genau wie Andreas es vorhergesagt hatte. Wilhelm hatte seinen Tod angeordnet.
Nicht nur das, er hatte seine Männer auch angewiesen, Andre kaltblütig vor
ihren Augen zu erschießen.
In der Stimme des Agenten lag nun eine tödliche
Kälte, und draußen vor dem Schlafzimmer waren weitere Agenten im Anmarsch,
kamen rasch die Treppe hinauf.
„Treten Sie zur Seite, Frau Roth. Ich fürchte,
das war meine letzte Aufforderung.“
Das Gewehr kam näher, eine sehr überzeugende
Drohung. Sie hatte nicht die Absicht, mit dem Agenten zu kooperieren, aber im
nächsten Augenblick - sie spürte es eher, als dass sie es sah - riss Andreas
mit übernatürlicher Geschwindigkeit den Arm hoch, griff um sie herum und packte
die Waffe.
Ein Hitzeschwall fuhr ihren Körper entlang, er
strahlte eine elektrische Ladung aus, die tief in ihren Knochen vibrierte.
Andreas schloss die Faust um den Gewehrlauf.
Sein Arm glühte vor Hitze, die in Ringen von pulsierendem, weiß glühendem Licht
bis hinunter in seine Finger strömte. Die Energie sprang in hellen Wellen von
ihm auf das Gewehr über.
Sofort riss der Agent die Augen auf. Sein Kopf
fiel schlaff auf die Schultern zurück, und sein Körper wurde von einem so
heftigen Krampf geschüttelt, dass seine Zähne aufeinanderschlugen. Claire roch
brennende Haut und brennendes Haar. Von Übelkeit ergriffen, sah sie zur Seite,
als der Stammesvampir auf dem Boden zusammenbrach und die plötzliche Dosis
tödlicher Kraft ihn in wilde Zuckungen versetzte. Bevor er tot war, kam ein
weiterer Agent in den Raum gestürzt, die Waffe im Anschlag.
„Claire, Achtung!“, brüllte Andreas ihr zu.
Und im selben Augenblick schleuderte er noch
mehr Hitze und Licht in den Raum. Aus seiner Handfläche materialisierte sich
ein Feuerball wie eine Kanonenkugel, er schoss ihn auf den eben angekommenen
Agenten ab und tötete ihn auf der Stelle. Um sie herum ging alles in Flammen
auf. Feuer flackerte die rückwärtige Wand hinauf und über die Decke.
Andreas warf über seine blutende Schulter
Claire, die wie vom Donner gerührt war angesichts der schrecklichen Macht, die
er besaß, einen wilden Blick zu. „Komm. Wir müssen raus hier.“
Sie folgte ihm aus dem brennenden Raum und auf
den Treppenabsatz im zweiten Stock. Zwei weitere Agenten kamen eilig die
Treppen hinaufgerannt, um ihnen den Weg abzuschneiden. Er stoppte sie auf
halbem Weg, schleuderte zwei Feuerbälle auf sie, die wie Bomben explodierten,
ein Loch in die Seidentapete der Wand rissen und ein großes Stück der
geschwungenen Holztreppe mitnahmen.
Als sie es ins Erdgeschoss geschafft hatten,
hielt Claire sich dicht hinter ihm - aber nicht zu nahe, auf der Hut vor der
sengenden Energie, die jeden Zentimeter seines Körpers durchströmte. Wenn sie
bis auf dreißig Zentimeter an Andreas herankam, war seine Hitze überwältigend.
Der Feuerschein, der ihn letzte Nacht in den Wäldern umgeben hatte, war wieder
da. Sie wusste, wenn sie ihn jetzt berührte, und sei es auch nur versehentlich,
würde sie sterben.
Aber als das Inferno, das er geschaffen hatte,
oben und im Foyer noch heißer aufloderte und Andreas den Rest der
Todesschwadron erledigte, die auf Wilhelms Befehl angerückt war, um ihn zu
töten, wusste Claire, dass dieses tödliche Wesen - dieser Mann, den sie
wahrscheinlich nie ganz verstanden hatte - ihre beste Chance war, die nächsten
paar Minuten zu überleben.
Also rannte sie, als er ihr zu rennen befahl.
Sie blieb so nahe bei ihm, wie sie wagte. Erst als sie beide aus dem Herrenhaus
heraus waren und ihre Füße über den kühlen, mondhellen Herbstrasen flogen,
gestattete Claire sich, auf die Knie zu fallen und ihren Tränen freien Lauf zu
lassen.
Sie drehte sich
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