Midnight Man (02) – Gefährliche Mission
zurückkommen. Sie würde ihn also erst morgen sehen. Wenn sie ihm einigermaßen gelassen entgegentreten wollte, sollte sie definitiv für einen erholsamen Schlaf sorgen.
Dafür sollte sie Commander John Huntington aus ihrem Kopf verbannen. Sie sollte sich ihr Leben zurückholen.
Morgen. Morgen würde sie ihr Leben wiederbekommen. Der heutige Tag war zu anstrengend gewesen. Marissa Carson hatte sich selbst übertroffen und jede einzelne Entscheidung wieder umgeworfen. Die meisten Möbel waren schon bestellt. Auf den Hinweis, dass sie viel Geld verlieren würde, hatte Mrs Carson ihren schönen Kopf in den Nacken geworfen, hysterisch gelacht und dabei angekündigt, in Kürze sehr reich zu sein.
Sie war sehr emotional und schreckhaft gewesen. Suzanne vermutete Probleme mit Mr Carson, den sie noch nie zu Gesicht bekommen hatte. Aber sie wusste, wie er aussah. Fotos von ihm, die in sämtlichen Räumen reichlich vorhanden waren, zeigten einen gutaussehenden blonden Mann mit kalten Augen. Genau genommen waren die Fotos mittlerweile abgehängt worden oder lagen umgedreht auf dem Couchtisch. Es herrschte ganz offensichtlich Ärger im Paradies. Dass sie beim Verlassen des Hauses vor ein paar Stunden dem großen kaltäugigen Mann über den Weg gelaufen war und dieser sie beinahe umgerannt hätte, hatte die Annahme nur bestätigt. Er hatte sie unglaublich wütend angeblickt. Ihr war sofort klar gewesen, dass Marissa ein heftiger Streit bevorstand.
Es war schwierig gewesen, Marissas Hysterie zu verkraften und gleichzeitig auf die Gestaltungswünsche einzugehen, die sich stündlich änderten. Schließlich hatten sie einen neuen Termin in zwei Wochen vereinbart, bis zu dem Mrs Carson sich vermutlich darüber klar geworden sein würde, was sie wollte.
Suzanne hatte einen aufreibenden Nachmittag hinter sich und war gezwungen gewesen, das Mittagessen ausfallen zu lassen, was sie unleidlich machte.
Ihr Abendritual verschaffte ihr innere Ruhe. Ein heißes Schaumbad mit Lavendelöl, eine Schale tiefgekühlte Minestrone aus der Mikrowelle, ein Glas Rotwein, eine halbe Stunde im Bett mit dem neusten Nora-Roberts-Schmöker und um zehn Uhr Licht aus.
Suzanne machte die Augen zu und genoss das frische Laken, die warme, leichte Eiderdaunendecke und die Stille der Nacht. Es war Schnee angekündigt, und sie hatte in allen Räumen die Vorhänge offen gelassen, weil sie den Blick in den Schnee liebte. Als sie sich tief in ihr Bett gekuschelt hatte und die ersten Schneeflocken fallen sah, die von den Straßenlampen angestrahlt wurden, fühlte sie, wie sich ihre Muskeln entspannten und sie langsam in den Schlaf hinüberglitt …
Der dann doch ausblieb.
Zwei Stunden später schlug die Standuhr im Wohnzimmer Mitternacht. Suzanne lauschte dem langsamen Ticken und Surren des Uhrwerks und dann den feierlichen Schlägen. Sie zählte zwölf. Seufzend schwang sie die Beine aus dem Bett.
Es war eine schöne Nacht. Tief hängende, flauschige Wolken hüllten die Spitzen der Hochhäuser wie auf einem kindlichen Wunschbild von Weihnachten ein. Dicke Schneeflocken sanken herab, als hätten sie alle Zeit der Welt.
Der Schnee war so freundlich, die Spurrillen, Risse und Schlaglöcher der Straße zuzudecken. Er milderte die Schäbigkeit der alten, vernachlässigten Häuser und breitete eine sanfte Decke über diesen Stadtteil, der einsam und gefährlich und voll unglücklicher, gescheiterter Seelen war.
Der Nachthimmel leuchtete von den Lichtern der Stadt. Die Wolken schimmerten, und Schneeflocken tanzten. Ein paar Minuten lang schaute Suzanne zu und hoffte, dadurch Frieden zu finden.
Der stellte sich genauso wenig ein wie der Schlaf.
Sie fühlte sich gereizt, verunsichert, als hätte sie eine Kluft überquert, ohne es zu wollen, als wäre sie in ein neues Leben eingetreten, in dem sie die Spielregeln nicht kannte.
Todds Worte kamen ihr in den Sinn. Es stimmte – sie hatte sich immer mit Männern getroffen, bei denen sie die Oberhand behalten konnte, und es stimmte auch, dass sie bei John nicht die Oberhand haben würde. Er war im ganzen Sinne des Wortes ein dominanter Mann.
Eigentlich waren sie ja kein Paar. Sie waren einen Abend zusammen essen gegangen und hatten hinterher einmal Sex gehabt. Wie sollte man das nennen? Eine Bekanntschaft? Sie hatte keine Ahnung. Das passte in keine ihrer Kategorien. Und um die Verwirrung perfekt zu machen, wohnten sie zusammen. Eigentlich nicht zusammen, aber im selben Haus. Nur sie beide.
John war wie ein Tiger,
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