Midnight Man (02) – Gefährliche Mission
hoffte inständig, dass sie nicht danebentippte, dass ihre ungeschickten Finger sie nicht im Stich ließen. Die Tasten waren so furchtbar klein. Wenn sie sich nun verwählt hatte? Ah. Die Verbindung wurde aufgebaut. Mach, dass ich die richtige Nummer gewählt habe! Es klingelte.
Einmal …
Kam da ein dumpfes Geräusch aus dem Nebenzimmer? Oh Gott.
Zweimal …
Komm schon, geh dran!
Dreimal …
»Was ist los, Suzanne?«
Als sie seine dunkle Stimme hörte, hätte sie vor Erleichterung fast das Handy fallen lassen. Er klang so ruhig, so sachlich. Teils war sie froh, dass er ihr immer einen Schritt voraus war. Sein Display zeigte ihren Namen an, und er hatte bereits begriffen, dass sie ihn nicht mitten in der Nacht anriefe, außer sie steckte in Schwierigkeiten.
»John«, flüsterte sie. »Wo bist du?«
»Drei Blocks entfernt«, antwortete er. Seine Bassstimme vibrierte durch die Leitung. Schon beim Klang seiner Stimme ließ ihre Panik nach. »Warum?«
»Bitte beeil dich. Es ist ein Mann im Haus. Eben war er noch in meinem Büro. John, ich glaube nicht, dass er etwas stehlen will. Er hat nichts eingesteckt, und er ist … bewaffnet.«
»Wo bist du jetzt?« Er blieb weiter ruhig, aber sie hörte den Motor lauter brummen und die Reifen quietschen.
»Im Schlafzimmer«, flüsterte sie. Mit nass geschwitzter Hand umklammerte sie das Handy wie eine Rettungsleine. »Im hintersten Zimmer. Ich habe die Tür abgeschlossen.«
»Okay, du tust jetzt Folgendes: Klemm einen Stuhl unter den Türknauf. Rück keine Möbel davor, das würde zu viel Lärm machen. Schraub die Glühbirnen raus. Hast du einen begehbaren Kleiderschrank?«
»J-ja.« Sie zwängte das Wort durch die klappernden Zähne.
»Schließ dich darin ein. Geh bis in die hinterste Ecke und warte dort auf mich. Ich komme. Hast du verstanden, Suzanne?«
»Ja.« Ihre Stimme bebte. Sie biss sich auf die Unterlippe. »Beeil dich«, flüsterte sie und legte auf.
Sie hatte nur einen Stuhl im Schlafzimmer, und der war ziemlich zierlich, aber sie klemmte ihn unter den Türknauf der schönen, aber wenig massiven Tür. Wenn der Killer an der Schlafzimmertür ankam, würde es ihn vielleicht nicht mehr kümmern, ob er Lärm machte. Der Stuhl würde einen entschlossenen Mann höchstens ein paar Sekunden aufhalten. Hastig schraubte sie die Glühbirnen aus den drei Lampen, dann lief sie zur Schranktür.
Zum ersten Mal in ihrem Leben verfluchte sie ihre Ordnungsliebe. Wie viel besser wäre es jetzt, wenn sie sich in einem Haufen alter Jeans, abgetragener T-Shirts und Nachthemden verkriechen könnte, statt auf dem nackten Boden ihres superaufgeräumten Schrankes zu hocken, wo sie sich allenfalls hinter zwei Reihen Schuhe verstecken konnte, die keinerlei Schutz darstellten, außer vielleicht die Manolo Blahniks mit den dünnen Stöckelabsätzen, die sie sich in einem Anfall von Wahnsinn gekauft und nie getragen hatte.
Sie kauerte sich hin und wartete. Und bereute bitter, dass sie nie an einem Selbstverteidigungskurs teilgenommen hatte, obwohl sie sich nicht sicher war, ob ihr der gegen einen Bewaffneten etwas genützt hätte.
Wonder Woman hätte sich zu helfen gewusst. Ebenso Xena, die Kriegerprinzessin, und Charlies drei Engel. Die konnten einen Mann entwaffnen und ihm kräftig in den Hintern treten. Allerdings waren die zu dritt, und sie war allein.
Sie änderte die Sitzhaltung und streifte ein Lavendelsäckchen, das an einem Satinband von einem Bügel hing. Sie schloss die Augen und atmete den kräftigen Duft ein. Sie hatte das Säckchen selbst genäht und mit Lavendel gefüllt, den sie bei ihren Eltern in Baja gesammelt hatte. Es roch nach Sommer, Sonne und Erde. Sie betastete den Kaschmirschal, den sie bei einem Operettenabend mit Todd, einer Aufführung von Der Mikado , getragen hatte. Sie betastete ihn und ließ sich von seiner Weichheit und Wärme trösten.
Sie wollte nicht sterben.
Sie wollte mehr Sommer mit ihren Eltern, mehr Theaterabende mit Todd. Mehr Sommerpicknicks, mehr Skiurlaube. Mehr Abende im Restaurant, mehr Abende zu Hause.
Mehr.
Das Leben war so schön, mit all seinen Höhen und Tiefen. Sie liebte ihre Eltern, sie liebte ihr Zuhause, und sie liebte ihre Freunde. Ihre Karriere ging gerade steil nach oben. Auf der anderen Seite des Flurs würde der anziehendste Mann wohnen, den sie je gesehen hatte. Der Sex mit ihm hatte sie schockiert, aber sie hatte sich auch so lebendig gefühlt wie noch nie. Sie wollte mehr.
Ich will nicht sterben. Oh Gott, ich
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