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Miese Stimmung: Eine Streitschrift gegen positives Denken (German Edition)

Miese Stimmung: Eine Streitschrift gegen positives Denken (German Edition)

Titel: Miese Stimmung: Eine Streitschrift gegen positives Denken (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Retzer
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Landschaft überschwemmt. Die Angst bricht herein wie eine Attacke, eine Panikattacke. Nun hat man nicht mehr die Angst, sondern die Angst hat einen im Griff. Lange Überlegungen darüber, was man mit dem Dammbruch und der Überschwemmung anfangen will, sind unmöglich. Man hat keine Zeit, man darf sie zumindest nicht verlieren, um sich in Sicherheit zu bringen, falls das überhaupt noch möglich ist.
    Wir sind in einer Situation, in der man zivilisiert und kontrolliert miteinander und mit sich selbst umzugehen hat. Aus dem Rahmen zu fallen ist eine Entgleisung, die man zu verhindern hat. Zu diesen Entgleisungen gehört es, Angst zu haben oder, noch schlimmer, zuzugeben, dass man Angst hat. Deshalb ist der Kampf gegen die Angst zu führen. Zur Aufgabe der fortschreitenden Beherrschung der Natur gehört es auch, das unzivilisierte Gefühl der Angst zu meistern.
    Wenn man unserer gegenwärtigen gesellschaftlichen Befindlichkeit einen Namen geben will, dann ist das Gerede von einer Angstgesellschaft eine irreführende Charakterisierung. Wir leben nicht in einer Angstgesellschaft, sondern in einer Angstbekämpfungsgesellschaft. Die Phänomene dieser Angstbekämpfungsgesellschaft wurden schon beschrieben, die Ergebnisse auch: Angst, die viele von uns im Griff hat.
    Die Diskriminierung der Angst geht mit der Diskriminierung der Ängstlichen einher. Die Angstbekämpfung fühlt sich dagegen hochgradig legitimiert, und so geht es auch den Kampfgemeinschaften gegen die Angst. Als Ängstlicher enttarnt, hat man dagegen wenig zu sagen. Schon der Verdacht reicht aus, um allein im Regen stehengelassen zu werden. Einen anderen der Ängstlichkeit zu verdächtigen entlastet den, der das tut, vom Angstverdacht. Mehr noch, er stellt sich als ein erfolgreicher Angstbekämpfer dar. Er steht also auf der richtigen Seite. Er selbst ist aus dem Schneider, weil die Angst, die er anprangert, ja die Angst der anderen ist.
    Leider kann der Kampf gegen die Angst nicht gewonnen werden. Denn weder ist die Angst kapitulationsbereit, noch kann sie besiegt werden. Im Gegenteil: Der Kampf gegen sie stärkt sie. Die Energie, die gegen die Angst ins Feld geführt wird, nimmt sie auf und wird dadurch immer mächtiger.
    Die folgenden Überzeugungen können den Kampf gegen die Angst weiter anheizen und miese Stimmung erzeugen – ganz miese Stimmung:

Ich darf mir nichts anmerken lassen!
    Ich muss meine Angst sorgsam vor den anderen verbergen und verstecken. Das allein ist schon anstrengende Arbeit. Die Angst, enttarnt zu werden, kann sich ins Unermessliche steigern. Obwohl unvermeidlich geängstigt, will ich meine Angst nicht nach außen dringen lassen. Aber gerade die Verhinderung des Ausagierens der Angst nach außen führt dazu, dass die Angst nach innen umso heftiger bohrt und uns früher oder später überwältigt. Der Damm bricht.

Ich muss beliebt sein!
    Hier wird der eigene Wert von der Wertschätzung anderer abhängig gemacht. Eine Vorstellung, die äußerst anstrengend und ängstigend sein kann. Man hat es nun mal nicht in der Hand, welcher Beliebtheitsgrad einem von anderen zugestanden wird. Denn darüber entscheidet noch immer jeder höchstpersönlich selbst. Soviel scheint aber schon sicher: Mir selbst Angst zuzugestehen und sie auch noch anderen zu gestehen macht mich nicht beliebt.

Geht nicht, gibt’s nicht!
    Probleme sind dazu da, gelöst zu werden. Ich kann Probleme lösen! Probleme und Herausforderungen, wo seid ihr?! Ich werde es euch schon zeigen! Scheitern, Misserfolg, Pech und Unglück gab es vielleicht früher mal, in grauer Vorzeit. Für mich gibt es so etwas nicht. – Die Messlatte des Gelingens ist so hoch gehängt, dass einem allein schon vom Blick nach oben angst und bange werden kann. Ist man nun noch aufgefordert, über die Latte zu springen, ist die Angst vor dem Reißen der Latte schon fast unerträglich. Um die Überzeugung »Geht nicht, gibt’s nicht« aber weiterhin aufrechterhalten zu können, wäre zunächst an Doping zu denken. Langfristig wären aber Panikattacken angemessener.

Ich muss/kann mithalten, weil die Konkurrenz nicht schläft!
    Hier fordert der Glaube an den Markt den entschiedenen Kampf gegen die Angst. Nach den Regeln der sogenannten freien Marktwirtschaft wird der Erfolg natürlicherweise daran festgemacht, dass man für sich selbst einen Markt findet: Man muss mithalten gegenüber den Konkurrenten oder, wie man heute verharmlosend sagt, den Mitbewerbern; und man hat dafür zu sorgen, dass man

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