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Mieses Karma

Titel: Mieses Karma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Safier
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eins und noch eins und noch eins. Ich war
     nicht allein. 10
    «Kindchen, seid nicht nervös. Mama ist bei euch», sagte die liebe Stimme. Und die anderen «Fiiiips» wurden leiser.
    «Mama ist bei euch» – was für ein schöner Satz. Aber er erinnerte mich daran, was wirklich schlimm war. Egal, als was ich
     auch wiedergeboren war, ich war nicht bei   …
    «Lilly! Schau dir an, wie die Mama die kleinen Meerschweinchen säubert», hörte ich Alex sagen.
    Ein Satz, der eine Lawine an Gedanken auslöste:
     
Lilly ist da!
Und Alex auch.
Alex hat fast alle Ameisen getötet.
Das macht mich wütend.
Auch wenn er nicht wusste, was er tat.
Er war ja nie Ameise.
Und auch nie ein Meerschweinchen.
Ich war ein Meerschweinchen?!?
Das hatte Alex jedenfalls gesagt.
Er hatte Lilly ja ein Meerschweinchen zum Geburtstag geschenkt.
Diesem Meerschweinchen gehörte sicher die Stimme.
Und die nasse Zunge.
Es war also doch schwanger gewesen.
Ich hatte also recht gehabt.
Und Alex hatte unrecht.
|114| Der Idiot.
Aber immerhin war ich keine Ameise mehr.
Juchhuuu!!!
Ich hatte gutes Karma gesammelt.
Noch mehr Juchhuuu!!!
Ich war ein Meerschweinchen.
Das war eigentlich kein Grund für «Juchhuuu!!!».
Das war Mist.
Wie, zum Teufel, sollte ich denn als Meerschweinchen Nina vertreiben?
     
    «Es ist nicht deine Aufgabe, Nina zu vertreiben», sagte eine Stimme, die ich sofort am Weihnachtsmann-Tonfall erkannte. Es
     war Buddha.
    Und dann tauchte mitten in der Dunkelheit ein enorm dickes Meerschweinchen auf, das mich freundlich anlächelte. Es war strahlend
     weiß. Und wenn ich strahlend sage, dann meine ich auch strahlend – ich musste die Augen zusammenkneifen, um von dem leuchtenden
     Meerschweinchen nicht geblendet zu werden. Wie hatte Buddha doch bei unserer ersten Begegnung gesagt: «Ich erscheine in der
     Form, in der die Seele des Menschen wiedergeboren wird.»
    Mit einer kleinen Pfotenbewegung vertrieb Meerschweinchen-Buddha die Dunkelheit, an ihrer Stelle erschien eine große Wiese,
     die in den buntesten Technicolor-Farben schillerte. Sie war unendlich weit, und überall blühten die tollsten Blumen, die aussahen
     wie aus einem Sechziger-Jahre-LS D-Trip . Ganz klar: Diese Szenerie war nicht real. Buddha hatte mich hierher entführt, um ungestört von Menschen mit mir reden zu
     können.
    Es muss Spaß machen, wenn man so seine eigenen Realitäten erschaffen kann. Könnte ich das auch, hätte meine |115| Realität wie folgt ausgesehen: Ich wäre wieder ein Mensch, es wäre gesellschaftlich überhaupt nicht verwerflich, seinen Mann
     mit Daniel Kohn zu betrügen, und Nina hätte mit Gedächtnisverlust am Titicacasee gelebt.
    Ich schaute an mir herab und sah, dass ich ein kleines Meerschweinchenbaby war. Ich hatte ein braun-weißes Fell und war von
     der Geburt noch völlig verklebt.
    «Warum bin ich nur ein Meerschweinchen geworden?», fragte ich, und bevor Buddha etwas erwidern konnte, stampfte ich mit meinen
     kleinen Meerschweinchenpfoten auf: «Ich will ein Hund sein! Ich will! Ich will! Ich will!» (Noch vor einer Woche hätte ich
     es nicht für möglich gehalten, dass ich so einen Satz jemals sagen würde.)
    «Um als Hund wiedergeboren zu werden, hättest du mehr gutes Karma sammeln müssen.»
    «Hab ich die falschen Ameisen gerettet?», fragte ich.
    «Nein.»
    «Nein?»
    «Du hast sie aus dem falschen Grund gerettet.»
    «Aus dem falschen Grund?»
    «Du hast aus egoistischen Motiven gehandelt. Weil du Nina vertreiben willst. Hättest du das Gleiche aus reinem Herzen getan,
     wärst du nun   …
    «Ein Hund?», fragte ich hoffnungsvoll.
    «Oder etwas noch Höheres», erwiderte er, während die LS D-Wiese um uns herum langsam verblasste. Ich sah nur noch den strahlend weißen Buddha. Und um ihn herum jede Menge Dunkelheit.
    «Lebe ein schönes Leben», sagte das dicke Meerschweinchen und löste sich in Luft auf.
    Ich rief: «Hey, du kannst doch nicht einfach abhauen!» Aber ich wusste mittlerweile, dass der Blödmann konnte, |116| was er nur wollte. Ich war wieder allein in der Dunkelheit und überlegte, was «etwas Höheres» bedeuten würde: Affe oder gar
     Mensch?
    Aber was würde es mir bringen, als Mensch wiedergeboren zu werden? Ich wäre dann deutlich jünger als Lilly. Ein kleines Baby.
    Doch plötzlich durchströmte mich wieder Hoffung: Mit zwei Jahren könnte ich als Menschenkind ja schon reden. Ich würde Alex
     alles erzählen und ihn davon abhalten, mit Nina zusammenzukommen. Vielleicht würde er ja sogar auf

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