Mieses Karma
Trupps umher. Irgendwo war sicherlich auch der von Krttx und
Fsss. Sie hätten es viel mehr verdient, weiterzuleben, als die Königin.
«Wir müssen die Ameisen einfach warnen!», sagte ich zu Casanova, ohne auch nur einen blassen Schimmer zu haben, wie ich sie
diesmal zum Zuhören bewegen sollte.
Doch da hörten wir schon das Donnern des Wassers, das durch die Tunnel heranrauschte.
«Zu spät», sagte Casanova.
«Aber so was von», nickte ich traurig.
|110| «Wenigstens haben wir ein paar Ameisen gerettet», fuhr Casanova fort, «vielleicht reicht das ja für gutes Karma.»
«Hoffentlich», erwiderte ich.
Dann kam die große Flut.
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24. KAPITEL
Wieder einmal zog das Leben an meinem geistigen Auge vorbei: die Flucht aus den königlichen Gemächern, Nina im Bademantel,
der verzweifelte Alex, wie ich auf der Wange der kleinen Lilly einschlief …
An dieser Stelle versuchte ich, mit aller Macht den Film anzuhalten. Ich wollte die Erinnerung an Lilly genießen, ihren Atem,
ihre Nähe, wie ich ihr einen kleinen Ameisenkuss gegeben hatte – das alles wollte ich für immer auskosten …
Doch der Erinnerungsstrom schwappte darüber hinweg: Ich blickte der fliehenden Königin nach und hörte die Flutwelle. Ich sah
die Unmengen von Wasser, die von oben in die Ameisenstadt spülten! Ich hörte die Schreie der Ameisen! Ich sah, wie sich die
Erde der Kuppel lockerte und dann auf uns herabstürzte. Ich merkte, wie das schlammige Wasser mich mitriss … Dann wurde mir schwarz vor Augen …
Für eine Sekunde.
Ich sah wieder das Licht.
Es wurde immer heller.
Es war wunderschön.
Und es umhüllte mich.
|111| Aber ich ahnte, dass ich wieder von ihm abgestoßen werden würde. Ich versuchte mit aller Macht, es nicht zu umarmen. Nicht
in ihm aufzugehen. Ich wollte nicht wieder so enttäuscht werden.
Aber ich hatte keine Chance, es war einfach zu sanft. Ich gab den Widerstand auf.
Ich umarmte es.
Ich fühlte mich so wohl.
So geborgen.
So glücklich.
Dann wurde ich von dem Licht abgestoßen.
Schon wieder.
Ich wachte auf, tieftraurig. Ich hatte gegenüber Casanova geschwindelt: Ich wollte zwar Nina vertreiben, aber ein Teil von
mir sehnte sich dennoch ungemein nach diesem Licht. Ein verdammt großer Teil.
Der Signore hatte recht: Es war wirklich wie eine verdammte Wurst, die einem hingehalten wurde.
Ich hoffte, nicht mehr als Ameise wiedergeboren zu werden. Aber ich konnte nicht wirklich daran glauben, diesem Schicksal
entronnen zu sein. Schließlich war mein Rettungsversuch des Ameisenhaufens kein besonderer Erfolg gewesen. Es war mir nur
geglückt, eine Königin zu retten, die ihr Volk unterdrückt.
Aber wenn ich wieder eine Ameise war, warum konnte ich dann nichts sehen? Warum konnte ich nur vier Beine spüren anstatt sechs?
|112| Und warum zum Teufel schlabberte mich da jemand mit seiner Zunge ab?
«Mein Kleines, halte still. Ich will dich doch nur säubern», sagte eine nette Stimme.
Ich wollte fragen: «Wo bin ich? Wer bist du? Bin ich keine Ameise mehr? Was ist hier los? Wo ist der bekloppte Buddha?»
Aber heraus kam nur ein langes «Fiiiiiiiiiiiiiiiiiip!».
War ich das? Ich versuchte es nochmal. Ich rief «Buddha!», zu hören war aber nur: «Fiiip!»
Okay, offensichtlich kamen diese Fiepgeräusche von mir.
War ich vielleicht ein Hundewelpe?
«Beruhige dich», säuselte die liebe Stimme zu mir in mütterlichem Tonfall.
Beruhigen, beruhigen, dachte ich. Ich bin blind. Ich kann nicht sprechen. Ich habe keine Ahnung, in was für einem Körper ich
bin, und eine Zunge hört nicht auf, mich abzuschlecken – wie zum Teufel soll ich mich da beruhigen?
«Fiiiiiiip», sagte ich also völlig unberuhigt.
«Meine Kleine, du musst keine Angst vor dem Leben haben», säuselte die nette Stimme.
«Keine Angst vor dem Leben» – das wäre eine feine Sache, aber erst mal wollte ich wissen, was das für ein Leben war: das eines
blinden Maulwurfs vielleicht? Aber wir waren nicht unter der Erde, ich konnte wärmende Sonnenstrahlen auf meinem Körper spüren.
Ein Maulwurf war ich also nicht. Was dann? Ein blindes Schaf? Ein blinder Hund? Ein blindes Huhn? Find ich ein Korn?
«So, jetzt sind aber die anderen dran», sagte die Stimme, und das Geschlabbere hörte dankenswerterweise auf.
«Die anderen?», wollte ich fragen, aber auch diesmal |113| brachte ich nur ein «Fiiiip» hervor. Da hörte ich ein anderes «Fiiiip» und noch
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