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Mieses Karma

Titel: Mieses Karma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Safier
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dreinblickenden Priesterinnen
     zu. Allerdings blickten sie umso weniger stoisch, je näher wir kamen.
    Mit Höchstgeschwindigkeit flogen wir durch die beiden Wachen hindurch. Sie wurden von unserem Flugwind zur Seite geschleudert
     und fielen zu Boden. Das mag zwar schmerzhaft für sie gewesen sein, aber ihnen erging es immer noch deutlich besser als uns.
    «Ich kann nicht   …», rief Casanova im rasenden Flug.
    |107| «Was können Sie nicht?», rief ich zurück.
    «Ich kann nicht bremseeeeeeeeen!»
    Wir krachten gegen die Wand des königlichen Gemaches und fielen benommen runter auf den königlichen Schlafplatz.
    Das an sich wäre schon ein Frevel gewesen. Aber die Tatsache, dass die Königin noch auf ihrem Schlafplatz schlummerte, machte
     die Angelegenheit erst richtig schlimm. Wir fielen zwar relativ weich, aber die Queen war noch weniger amused als bei unserer
     letzten Bruchlandung auf ihrem royalen Körper.
    Casanova rappelte sich als Erster auf und sagte zu mir: «Ich habe nicht den Eindruck, dass die Königin geneigt ist, uns ein
     Ohr zu leihen.»
    Bevor ich «Ich auch nicht» antworten konnte, richtete die Königin ihren monströsen Körper auf und dröhnte: «Diesmal rufe ich
     nicht die Wachen.»
    «Nein?», fragte ich mit leiser Hoffnung.
    «Ich reiß euch selber den Kopf ab. Hier und jetzt!», schrie sie.
    Ich schluckte, und sie begann mit ihren riesigen Beinen nach uns zu treten.
    «Hören Sie», flehte ich, während ich ihren Schlägen auswich, «wir sind alle in größter Lebensgefahr!»
    «Ihr bald nicht mehr. Ihr seid gleich tot!», schlug sie weiter um sich und trieb mich vor sich her. In die Ecke.
    Mit dem nächsten Hieb würde sie mich treffen.
    Hastig sagte ich: «Gleich wird der Ameisenhaufen von einer riesigen Flutwelle überschwemmt.» Die Königin hielt mitten im Schlag
     inne. Ihre beiden Vorderbeine stoppten nur Nanometer entfernt vor meinem Schädel.
    «Eine Flutwelle?», fragte sie.
    «Ja, ein Mensch   …»
    |108| «Was ist ein ‹Mensch›?»
    «Verzeihung, ein Grglldd   …», korrigierte ich mich.
    «Die Einzahl von Grglldd ist Grgglu», rief Casanova mir zu.
    Ich korrigierte mich erneut: «Verzeihung, meine Königin, ein Grgglu will mit Wasser die Ameisenstadt ertränken.»
    Die Königin senkte ihre Beine und konstatierte: «Die Grglldd sind zu so etwas fähig.»
    «Sie müssen den Ameisen den Befehl geben, die Stadt zu verlassen», insistierte ich.
    Die Königin schaute mich an, dann fragte sie: «Warum sollte ich einer lächerlichen kleinen Arbeiterin glauben?»
    «Ich wäre doch sonst kaum wieder hierhergekommen, schließlich wollten Sie mich hinrichten lassen.»
    Die Königin nickte, das leuchtete ihr ein. Und dann gab sie den Befehl zur Evakuierung.
     
    Leider verstand die Königin unter Evakuierung etwas anderes als ich. Sie befahl ihren beiden Priesterinnen: «Holt die besten
     Liebhaber aus meinen Gemächern. Wir werden mit ihnen wegfliegen.»
    Die beiden Priesterinnen liefen los. Die Königin rief ihnen nach: «Und verratet den anderen Priesterinnen nicht, dass wir
     verschwinden!»
    Ich schaute die Königin irritiert an: «Sie wollen nicht, dass die anderen Priesterinnen es wissen?»
    «Meine Liebhaber können nur mich und die beiden Wächterinnen tragen», erklärte sie mir, als ob es das Normalste von der Welt
     wäre. Dabei hastete sie eilig zum Panoramafenster.
    «Die anderen Priesterinnen sollen ertrinken?», fragte ich entsetzt.
    «Na und?», antwortete die Königin.
    |109| Die Priesterinnen kamen in Begleitung von zehn Flugameisen in das Gemach gehastet.
    «Wollen Sie denn keine Ansprache an das Volk halten?»
    «In so einer Situation ist jede Sekunde kostbar. Da kann ich doch nicht meine Zeit verplempern!», machte die Königin klar.
    Dann wandte sie sich an die Liebhaber: «Fliegt uns an die Oberfläche.»
    Die Flugameisen gehorchten. Zwei von ihnen schnappten sich je eine der Priesterinnen, während die anderen sechs ächzend die
     Königin hochhievten.
    «Sie können doch nicht Ihr Volk ertrinken lassen», rief ich.
    «Wichtig ist der Fortbestand unseres Volkes», erwiderte die Königin in bester Diktatoren-Pressekonferenz-Manier. «Ich muss
     mich selbst retten, um das Volk zu retten.»
    Sprach’s und ließ sich von den Liebhabern in die Lüfte tragen.
    Schockiert stand ich da: Jeden Augenblick würde Alex die Stadt unter Wasser setzen, und die Königin ließ ihre Untertanen im
     Stich!
    Fassungslos trat ich ans Fenster: Überall wimmelten die kleinen

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