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Mieses Karma

Titel: Mieses Karma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Safier
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können es. Und die denken sich dann ihren Teil zu Sätzen wie «Kutschi-kutschi-kutschi, wer ist mein kleiner
     Liebling?»)
    «Die anderen ärgern mich.» Mit diesem Satz riss Lilly mich aus meinen Gedanken. Andere Kinder ärgern sie? Wut |122| stieg in mir hoch. Ich wusste schon, warum ich die meisten Kinder nicht ausstehen konnte.
    «Lukas und Nils nennen mich immer Pilly-Lilly, und sie hauen mich.»
    Wütend schlug ich mit den Pfoten auf den Boden.
    «Das machen sie schon seit Wochen», sagte Lilly mit Tränen in den Augen.
    Seit Wochen?, dachte ich. Das bedeutete, die Mistgören hatten Lilly schon geärgert, als ich noch ein Mensch war. Warum hatte
     sie mir nie was gesagt? Und, viel schlimmer: Warum hatte ich nie etwas gemerkt?
    Das Herz wurde mir unglaublich schwer: Offensichtlich wusste ich nicht genug über das Leben meiner Kleinen.
    «Mama hat mir immer gesagt, ich soll selbstbewusst sein und mich wehren», redete Lilly weiter und kratzte sich am Arm, «aber
     ich kann das nicht.»
    Mein Gott. Sie hatte es uns nicht erzählt, weil ich ihr immer gesagt hatte, dass sie selbstbewusst sein soll, wenn sie mal
     ein Problem im Kindergarten hatte. Ich hatte darauf gesetzt, dass sie sich von allein durchsetzt, und hatte damit dieses kleine
     Wesen behandelt wie einen Erwachsenen. Aber sie war erst fünf. Ich hätte ihr beistehen müssen und diesen blöden Kindern den
     Kopf waschen sollen. In der Kindergartentoilette.
    Und jetzt konnte ich nichts tun, um meiner Kleinen bei ihren Schwierigkeiten zu helfen.
    Lilly blickte mich traurig an. Hilflos legte ich meine kleine Pfote auf ihre Hand und streichelte sie. Die Kleine kratzte
     sich am Hals.
     
    In der Nacht kämpfte ich gleichermaßen mit meinem schlechten Gewissen gegenüber Lilly und mit meinen Bauchkrämpfen. |123| Während mein Magen mich vom Schlafen abhielt, sah ich von unserem Stall aus, dass Nina mit Alex gemeinsam in der Küche kochte.
     Das taten sie jeden Abend und setzten sich dann vor den Kamin, den Alex an kühlen Frühlingstagen immer gerne anwarf. Dabei
     lächelte Nina ihn immer wieder vorsichtig an, aber netterweise war er bisher nie darauf eingegangen. Mit der Betonung auf
     «bisher».
    An diesem Abend saßen die beiden wieder vor dem Kamin und unterhielten sich. Dabei redete Alex, und Nina hatte ihre beste
     Zuhörmiene aufgesetzt. Höchstwahrscheinlich dachte sie eigentlich gerade darüber nach, ab welchem Zeitpunkt es wohl nicht
     mehr pietätlos wäre, Alex zu verführen.
    Und plötzlich machte Nina eine Bemerkung.
    Was sie sagte, konnte ich nicht hören, aber Alex lächelte. Das gefiel mir gar nicht. Nina redete weiter, und ich versuchte,
     ihre Lippen zu lesen.
    «Frblmpf», las ich.
    «Haaa, daaaffne, proll», las ich Alex’ lächelnde Antwort.
    Ich musste mich besser konzentrieren.
    Ich las von Ninas Lippen: «Gynäkologen tanzen Sorbet.»
    Alex erwiderte: «Und Urologen Tortellogni»
    Ich musste mich noch viel besser konzentrieren.
    Nina sagte: «Ich liebe deinen Karawan.»
    Entweder das, oder sie sagte: «Ich liebe deinen Pipimann.»
    Alex antwortete darauf: «Mein Pipimann hat auch Dolby Digital.»
    «Argghhh!», schrie ich auf – dieses verdammte Lippenlesen machte mich wahnsinnig.
    «Psst», sagte meine Meerschweinchenmama, «die anderen schlafen.» Trotz ihrer liebevollen Art spürte ich, dass ich langsam
     zu ihrem Problemkind avancierte.
    Ich ging nicht auf sie ein und wollte weiter Lippen lesen, |124| doch das war gar nicht mehr nötig. Nina hatte irgendetwas gesagt, und Alex lachte. Laut. Aus vollem Herzen!
    Wie konnte er nur lachen? Ich war tot! Zumindest für ihn! Da konnte er doch nicht lachen. Da musste er doch ständig weinen!
     Nächtelang! Tagelang! Bis er sich von einem Arzt die Tränendrüsen wieder auffüllen lassen musste!
    Aber Alex lachte weiter. Er dachte gar nicht daran, sich die Tränendrüsen wieder auffüllen zu lassen.
    Das Ganze machte mich so wütend, dass ich ein Ventil brauchte: Ich haute den Offensivkuschler. Da war es mir auch egal, dass
     er schlief. Er grummelte und schlief dann weiter.
    Meerschweinchenmama aber belehrte mich: «Du musst netter zu den anderen sein. Ihr seid alles Geschwister, irgendwann wirst
     auch du sie mögen.»
    Klar, dachte ich sauer, der Tag, an dem ich diese Meerschweinchen mag, ist der Tag, an dem der Papst zu «Hava Nagila» tanzt.
    Ich sah weiter zu Alex hinüber. Er trocknete sich die Lachtränen! Dann sagte er zu Nina: «Danke» (das konnte ich einwandfrei
     lesen),

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