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Mieses Karma

Titel: Mieses Karma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Safier
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Fiderallala, fiderallala,
     fiderallalalala.»
    Es war wie verhext!
    Deckelchen war völlig verwirrt.
    Verzweifelt wollte ich die Wahrheit nun herausschreien, aber ich schmetterte nur laut: «Der Seidenschwanz, der Seidenschwanz,
     der bracht’ der Braut den Hochzeitskranz.»
    Es hatte keinen Zweck.
    Anscheinend hatte Buddha mein Sprachzentrum so beeinflusst, dass ich niemandem verraten konnte, wer ich war.
    Aber ich gab nicht auf, ich nahm mir Block und Stift und wollte alles aufschreiben, die ganze Wahrheit über mich, Maria und
     das Nirwana.
    Doch als ich fertiggeschrieben hatte, stand auf dem Papier nur: «Die Puten, die Puten, die machten breite Schnuten!»
    Und die dazugehörigen Noten waren auch aufgemalt.
    Ich mochte dieses blöde Lied noch nie.
    Und noch weniger mochte ich Buddha. Er hatte nicht nur mein Sprachzentrum beeinflusst, sondern alle meine Kommunikationsmöglichkeiten.
     Und ich fand es einfach höchst unfair, dass er Deckelchen über die Wahrheit im Unklaren ließ, nur damit ich nicht all mein
     Wissen über das Jenseits ausplauderte.
    Ich überlegte krampfhaft, was ich tun sollte. Ich wollte nicht, dass Deckelchen dachte, es wäre seine Maria, die ihn verließ.
    Und schließlich fand ich auch einen Weg, ihm das zu zeigen, ohne von dem Nirwana zu berichten.
    |212| «Wie heißt du eigentlich?», fragte ich ihn.
    «Was?», fragte Deckelchen irritiert.
    «Ich hab keine Ahnung, wie du heißt.»
    «Hast du dein Gedächtnis verloren?», kicherte er nervös.
    «Ich hab deinen Namen noch nie gehört», erklärte ich.
    Er war verwirrt.
    «Schau in meine Augen», bat ich ihn.
    Er kam näher.
    «Tief.»
    Er tat es.
    Und er sah, dass ich die Wahrheit sagte.
    Und dass in Marias Körper eine andere Seele wohnte.
    Auch wenn er es nicht rational erfassen konnte, warum und wieso es so war, tief in seinem Inneren wusste er in diesem Augenblick
     genau, dass er seine große Liebe verloren hatte.
    Und so sagte er tieftraurig: «Ich heiße Thomas.»

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    46.   KAPITEL
    Selbst als ich schon im IC nach Potsdam saß, musste ich noch an Thomas denken. Ich hoffte sehr für ihn, dass er damit klarkommen
     würde, plötzlich allein zu sein. Er hatte das Ganze nicht verdient.
    Niemand hat den Tod von Angehörigen verdient.
     
    «Na, haben Sie auch zwei Fahrkarten dabei?», fragte eine Stimme.
    Ich blickte zur Seite und sah einen Schaffner mit Schnurrbart und Ohrring. Zwei Stilsünden auf einmal, fehlte nur noch der
     Vokuhila.
    |213| «Wie meinen?», fragte ich.
    «Na, so dick wie Sie sind, kann sich ja niemand neben Sie setzen», grinste er.
    «Sie sind so komisch wie eine Wurzelbehandlung», erwiderte ich gelassen.
    Der Schaffner hörte schlagartig auf zu grinsen, knipste meine Fahrkarte, und ich war für den Rest der Fahrt alleine: Kein
     Fahrgast wollte sich neben mich quetschen.
    Und das war für mich ungewohnt. Früher, als Kim Lange, war es für mich ganz normal, dass sich die Menschen nach mir umblickten.
     Frauen beneideten mich, Männer starrten auf meinen Busen (der war zwar nicht total beeindruckend, aber er gehörte immerhin
     zu einem prominenten Gesicht). All das war ebenso unangenehm wie schmeichelhaft. Nun blickten mich die Mitglieder beider Geschlechter
     abschätzig an, und das war einfach nur unangenehm.
    Um mir die angewiderten Blicke der Mitmenschen zu ersparen, starrte ich auf die vorbeiziehende Landschaft. Ich fragte mich,
     ob die Kühe auf den Wiesen wiedergeborene Menschen waren. Oder was Leute wohl dazu bewegt, ihr Einfamilienhaus auf dem platten
     Land genau ans Bahngleis zu bauen. Und schließlich, wie ich wohl meiner Familie wiederbegegnen sollte und wie sie reagieren
     würde, wenn ich «Die Puten, die Puten, die zogen ihre Schnuten» trällerte.
     
    Als ich in Potsdam ankam, beschloss ich, mir erst mal eine Bleibe für die Nacht zu besorgen. Ich konnte mir nur eins dieser
     Billighotels am Stadtrand leisten, in denen jedes Zimmer mit selbstreinigendem Duschklo ausgestattet war. Die ganze Nacht
     konnte ich kein Auge zutun. Zum einen, weil ich Hunger hatte – im Industriegebiet gab es weit und breit keinen Laden, in dem
     man nachts einkaufen konnte   –, und |214| zum anderen, weil die Jugendlichen im Stockwerk unter mir eine Party feierten mit Alkohol, Ghettoblaster und heiterem Bettgestell-aus-dem-Fenster-Werfen.
     Und da die Rezeption in solchen Hotels nachts nicht besetzt ist, konnten sie machen, was sie wollten.
    So verbrachte ich die Zeit damit, aus dem Fenster auf

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