Mika, Bascha
feiert und seine Freundinnen kommen,
stehen zehn Ballerina-Paare vor der Wohnungstür, die sich nur durch die Größe
unterscheiden. Und wenn die Mädchen sich gegen Mitternacht beim Weggehen im
Treppenhaus drängeln, wirken sie austauschbar wie die Mitglieder einer Balletttruppe.
Im
Gegensatz zu Jungs werden Mädchen für ihre Frechheit selten geliebt, sondern
eher ausgestoßen. Auch von der eigenen Gruppe. Fragt man erwachsene Frauen nach
ihren Erfahrungen, ergeben sich immer wieder ähnliche Geschichten. »Wenn ich
glaubte, was Tolles gemacht zu haben, hab ich das meinen Freundinnen selten
erzählt. Ich hatte einfach Angst vor ihrem Neid«, erzählt Franziska Lamott. »Es
ist mir so schwergefallen, zu begreifen, dass ich mich unterscheiden darf und
trotzdem von den anderen noch geliebt werden kann.«
Franziska
Lamott ist Soziologin, Hochschullehrerin und Gruppentherapeutin. Sie hat lange
am Münchener Institut für Strafrecht gearbeitet und sich dort über viele Jahre
mit kriminellen Frauen beschäftigt. Mit Verbrecherinnen, die ihre Frauenrolle
gesprengt haben - oft mit Gewalt. Mörderinnen,
Totschlägerinnen.
Sie hat gelernt, Muster in weiblichen Biographien zu erkennen, auch in ihrer
eigenen.
»Mein
Gott, hab ich mir lange verboten, mit anderen Frauen zu konkurrieren, eine Lust
am Wettstreit zu entwickeln. Dabei geht es doch um gar nichts Schlimmes: Man
rennt gemeinsam los und guckt, wer schneller ist. Nicht, weil ich dem anderen
ein Bein stellen will, sondern weil es mehr Spaß macht, wenn man nicht alleine
rennt.« 17
So
selbstverständlich männliche Rivalität genommen wird - das Thema Konkurrenz
unter Frauen ist nach wie vor ein Tabu. Und als wäre auch die Wissenschaft von
dem »Da-rührt-man-nicht-dran« befallen, wird dieses Phänomen in empirischen
Untersuchungen weitgehend ausgeklammert. 18
Selbst die
Frauenbewegung, die sich die Befreiung von Rollenklischees auf die Fahnen
geschrieben hatte, krankte über viele Jahre am Gleichheitspostulat. Weil alle
Frauen angeblich Schwestern sind, sollen sie alle am selben Strang ziehen. Das
war der Anspruch. Und unter strategischen Überlegungen war das ja nicht dumm
gedacht. Das Problem ist nur: Sie sind es nicht - weder alle gleich noch alle
Schwestern. Doch darauf hinzuweisen, war in der Bewegung lange ein Risiko,
sehr schnell wurde es als Verrat gebrandmarkt.
Frauke
Narjes vom Career Center an der Hamburger Universität ist selbst keine
Durchschnittsfrau und wundert sich, wie wenig ihre Studentinnen mit
Unterschieden und Konkurrenz umgehen können, wie sehr sie vom Gefühl bestimmt
sind, nicht anders sein zu dürfen als andere. »Es wäre schön, Frauen
aufzuzeigen, dass man den Wettbewerb überlebt, dass man es überlebt,
unterschiedlich zu sein. Diese Sicherheit müssen Mädchen und junge Frauen erst
mal spüren.« 19
Noch
erwachsene Frauen wollen am liebsten everybody's darling sein; sich von diesem
Wunsch zu verabschieden, ist verdammt schwer. Dazu erinnern sie sich zu gut,
wie es früher gelaufen ist. Schon Mädchen üben sich in der Methode Champignon:
Wer es wagt, sich aus der Gruppe zu erheben, wird um einen Kopf kürzer gemacht.
Also hält man ihn besser unten.
Dabei
rivalisieren selbstverständlich auch Mädchen untereinander, aber ihre
Konkurrenz ist verdeckt, wird selten offen ausgetragen. Rivalität ist etwas
Bedrohliches. Genauso wie Aggression.
Aggression
ist eine starke Antriebskraft, gilt aber als unweiblich, ist deshalb verpönt
und meist unterdrückt. Passivaggressiv, dieses untergründige Schwelen, ist
nicht umsonst eine Eigenschaft, die sich eher bei Mädchen und Frauen beobachten
lässt. Das Problem: Die Aggression ist trotzdem vorhanden, und wenn sie sich
nicht offen äußern darf, bricht sie sich eben anders Bahn.
Bei ihren
Straftäterinnen hat Franziska Lamott viel über weibliche Aggression gelernt.
Dass sie selten konstruktiv ausgelebt wird, aber zerstörerisch aufflammen
kann.
Das gebe
es selbstverständlich auch unter Männern. Aber eine bestimmte Form versteckter,
manchmal hinterlistiger Aggressivität sei eben doch eine weibliche
Spezialität, findet Franziska Lamott. Dabei brauche man gar nicht bis zu den
Verbrecherinnen zu gehen, um dieses Phänomen zu sehen. Es zeige sich auch
unter normalen Frauen, besonders wenn sie in der Gruppe auftreten.
»Da wird
immer schön das Konkurrente und Aggressive verleugnet, man ist ja so furchtbar
nett zueinander. Offen reden — bloß nicht! Da werden dann Intrigen
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