Mika, Bascha
Elektronikspielzeug aus den
neunziger Jahren, das behandelt werden wollte wie ein Haustier? Jedes, aber
auch jedes Kind in der westlichen Welt wollte unbedingt dieses chipgesteuerte
Küken haben. Wäre jemand auf die Idee gekommen, dabei von biologischer
Konditionierung der Kinder zu sprechen?
Aber bei
Rosa. Angeblich greifen Mädchen zu dieser Farbe, weil es ihrer Natur
entspricht. Man könnte das Ganze ja einfach als Geschmacksverirrung abtun,
wäre da nicht die perfide Verknüpfung dieses Wahns mit weiblichen Bildern und
mit den daran anschließenden Assoziationsketten. Die weibliche Hölle ist rosa!
Warum wohl gibt es nichts Entsprechendes in der Jungenwelt?
Christiane
Nüsslein-Volhard ist eine der wenigen deutschen Nobelpreisträgerinnen. Sie ist
Expertin für Genetik und Entwicklungsbiologie und hat damit eine weibliche
Sonderrolle in einem männerdominierten Umfeld. Schon deshalb ist die Biologin
besonders sensibel für Geschlechterfragen; vor einigen Jahren hat sie eine
Stiftung gegründet, die junge Wissenschaftlerinnen mit Kindern finanziell
unterstützt.
Die
Nobelpreisträgerin beobachtet das Verhalten von Mädchen mit den Augen der
Biologin und ist über deren geziertes Gehabe manchmal derart erbost, dass sie
es am liebsten doch auf die Natur schieben will. »Die kleine Tochter einer
Mitarbeiterin rennt nur noch mit einer Krone auf dem Kopf herum und immer in
Rosa. Das prägt doch nicht die Mutter - auch nicht unbewusst. Die denkt nicht
an Kronen und Prinzessinnen. Das macht das Mädchen selbst. Man darf wirklich
nicht unterschätzen, was so alles von innen kommt.« 9
Und mit
jedem Kinderfahrrad in Pink, auf dem ein kleines Mädchen sitzt — das garantiert
so lange gequengelt hat, bis es genau dieses Fahrrad bekam -, hockt ein Mädchen
mehr auf einem Stück rosa Zuschreibung; werden rosa Bilder beim Betrachter
aktiviert, wird eine weitere Kluft zwischen dem Mädchen und seinem kleinen
Bruder konstruiert. Der selbstverständlich nie auf ein rosa Gefährt steigen
würde.
Das Bambi
Was sind
wir fit und selbstbewusst! Magazine für Mädchen und junge Frauen haben kein
Problem, ihren Leserinnen dieses Bild zu verkaufen, und sie gleichzeitig in
die weibliche Anpassungsanstalt zu schicken: mit Liebes-, Beziehungs-, Körper-
und Schönheitsgesumse.
Sollen
Mädchen morgen Bundeskanzlerin werden? Oder Nobelpreisträgerin? Sich einen Job
suchen, der ihnen Einfluss verschafft, gutes Geld und die Macht zu gestalten?
Ist es das, was Mädchen vermittelt wird, worin sie bestätigt und unterstützt
werden? Brich auf! Nutz die Chance! Mach dich nicht klein!
Och ne,
lieber sollen sie Prinzessin und Bambi spielen. Da sind sie doch viel
niedlicher. Und das tun die Mädchen auch brav. Was den Kleinen das Krönchen ist,
ist den Großen der Kullerblick. Ich bin klein, mein Herz ist rein, tu mir
nichts, dann tu ich dir auch nichts - das Bambi-Getue. 10
Mit der
Bambi-Tour wird das Prinzessinnen-Theater fortgesetzt, auf einer etwas
erwachseneren Ebene. Da machen junge und manchmal auch nicht mehr ganz so junge
Frauen auf klein und süß, und prompt werden sie behandelt wie halbe Kinder.
Wahre Heerscharen von Bambis laufen in Kinofilmen und in unseren Fernsehserien
herum. Und wenn wir uns unter Kolleginnen und Bekannten umsehen, werden wir
diesem herzzerreißenden Typ garantiert oft begegnen.
Die
Bambi-Tour ist ein Erfolgsrezept, die perfekte Unterwerfungsgeste. Als
traditionelle Weibchen-Rolle funktioniert das Bambi wunderbar und passt prima
zum Modelzucht-Programm. Fast alle Männer mögen es, wenn Frauen ein bisschen
klein und unschuldig wirken, verkündete eine Frauenzeitschrift. Todsichere
Methode, um anzukommen.
Als
Charlotte Roche vor ein paar Jahren die Eröffnung der Berliner Filmfestspiele
moderierte 11 , hatte sie sich nicht nur ein kurzes, wippendes
Kleidchen angezogen, sondern krabbelte während ihres Auftritts auch noch auf
allen vieren unter den Tisch, der auf der Bühne stand. Was bin ich doch für ein
freches kleines Mädchen! Von dort unten streckte sie dem Leiter der Festspiele
das Mikro entgegen, um ihn zu befragen, und der beugte sich zu ihr herab, als
würde er einem Kind sein Versteckspiel nicht kaputt machen wollen. Da bist du
ja, du freche kleine Göre!
Ob klein,
blond und unbedarft oder Rehaugen auf Beinen - Bambi-Rollen gibt es viele.
Hauptsache Blick von schräg unten nach weit oben, stets auf ein mächtigeres
Wesen gerichtet, bevorzugt den Mann. Botschaft: Ich bin doch so
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