Mika, Bascha
kulturellen Kontext untersuchte. 32 Und keine Judith Butler, die den Unterschied zwischen Mann und Frau zur Frage
des Milieus und der Erziehung erklärte. 33
Weil der
Kinderwunsch bei Frauen ganz selbstverständlich vorausgesetzt wird, kann es zu
groben Missverständnissen kommen. Nehmen wir Cacilia. Als Cacilia ihren Mann
kennenlernte, wollte der gerne Kinder. Sagte er zumindest. Das hatte sie sich
gemerkt, wenn auch nicht weiter kommentiert. Die Beziehung wurde fester, und
Cacilia war im Dilemma. Wochenlang quälte sie sich mit der Entscheidung, denn
in ihrer Vorstellung von der Zukunft hatten Kinder keinen Platz. Doch sie ließ
es drauf ankommen und heiratete. Erst Monate später gestand ihr Mann, er habe
sich nie ernsthaft Kinder gewünscht, er habe es nur vorgespiegelt. Wenn er
sich als williger Vater präsentierte, dachte er, würden sich seine Chancen bei
Cacilia dramatisch erhöhen. Alle Frauen wollten doch Kinder — davon sei er
schlicht ausgegangen.
Zum
Vorurteilspaket in Sachen Nachwuchs gehört, dass Paare mit Kindern glücklicher
sind als kinderlose. Doch das ist nirgends bewiesen, darüber streitet die
Wissenschaft. Bei einer Studie in den USA zum Beispiel wurden Mütter gefragt,
was ihnen Genuss bereite: Die Kinderbetreuung wurde erst an sechzehnter Stelle
genannt. 34 Hingegen stellten Forscher aus Großbritannien fest, dass
die Beglückung durch Kinder zunimmt - jedoch nur bei verheirateten Paaren. 35 Umstritten ist auch, ob das Glücksgefühl bei jedem neuen Kind steigt — oder
vielleicht nicht sogar abnimmt. 36
Eigentlich
sind sich die Wissenschaftler nur in einem Punkt einig: Nicht die schiere
Existenz von Kindern macht glücklich oder unglücklich. Der Glückspegel hängt
von vielen zusätzlichen Faktoren des Lebensumfeldes ab.
Und dann
gibt es ja auch noch dieses unausrottbare Gerücht — von besserwisserischen
Psychologen gepflegt und in den Medien gern weitergetratscht -, dass alle
kinderlosen Frauen per se unglücklich werden. Egal, wie freiwillig ihre
Entscheidung mal war. Weil sie den Verlust nicht verkraften könnten, eine
Leerstelle spürten und weil sie darunter litten, die Möglichkeiten des Lebens
nicht ausgeschöpft zu haben.
Welch ein
Unsinn! Sicher gibt es Frauen, die ihre Kinderlosigkeit irgendwann bedauern
und unglücklich sind. Aber wie viele unglückliche Frauen mit Kindern gibt es
denn?
Ich selbst
habe mehrfach in Talkshows den Part der Kinderlosen übernommen, eine Rolle,
die angeblich schwer zu besetzen ist - zumal wenn es um die glückliche
Kinderlose geht.
Vielleicht
hab ich deshalb gut reden, weil ich mich sehr früh gegen Kinder entschieden
habe. Mit fünfzehn Jahren verkündete ich, mir habe das Bemuttern meiner drei
jüngeren Geschwister gereicht, ich hätte für den Rest meines Lebens von
Kindern genug. Selbstverständlich erntete ich damals nur mitleidiges Lachen
und Kopfschütteln. Zu Recht. Die meisten Erwachsenen erkannten in meiner
Ansage das, was sie in großen Teilen auch war: eine pubertäre Trotzreaktion
gegen die Verantwortung, die ich sehr jung in meiner großen Familie übernehmen
musste.
Es
versteht sich von selbst, dass ich dieses Vorhaben nie wirklich ernst nahm. Und
doch ist aus der Trotzreaktion ein Teil meines Lebensentwurfs geworden. Ich
habe keine Kinder. Obwohl mir weder die günstigen Umstände noch der passende
Mann fehlten. Kinder sind großartig, aber müssen es meine eigenen sein?
Mir ist
bewusst, dass ich damit ein eingefleischtes Vorurteil provoziere, mit dem
gerade Mütter die Nicht-Mütter gern konfrontieren: Kann eine, darf eine
überhaupt von Kindern und Mutterschaft reden, die selbst kein Kind hat? Nie die
einzigartige Bindung an das ungeborene Leben entwickelte, nie eine Geburt
erlebte?
Aber
selbstverständlich kann sie, darf sie. Nicht jede Erfahrung muss frau selber
machen, um über deren Bedeutung zu sprechen.
Die Treibenden
Das
Hormonkomplott hat viele Komplizen. Und Komplizinnen. Unser persönliches
Umfeld übernimmt gern die Aufgabe, uns die Unterordnung in der Mutterrolle
nahezubringen — wobei sich Frauen besonders hervortun. Die Mütter und Schwiegermütter,
die weiblichen Familienmitglieder, die Kolleginnen, Freundinnen,
Kindergärtnerinnen, Finanzbeamtinnen... Sie alle beteiligen sich am
Reproduktionszirkus.
Nehmen wir
Sara. Sara arbeitet bei einer Nachrichtenagentur und kehrte nach Jahren im
Ausland mit ihrem Mann und zwei kleinen Kindern nach Deutschland zurück. Für
die dreieinhalbjährige
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