Mika, Bascha
Tochter bekam sie einen Kita-Platz, für den kleineren
Sohn nicht. Die Familie lebt am Arbeitsort ihres Mannes in Köln, Saras Agentur
ist mehrere hundert Kilometer weit entfernt. Sie handelte eine Halbtagsstelle
mit einem vierzehntägigen Rhythmus aus: Wenn sie arbeitete, war sie zwei Wochen
von Montag bis Freitag weg von zu Haus, anschließend hatte sie vierzehn Tage
frei. Die Tochter war im Kindergarten, der Sohn bekam ein Kindermädchen, für
das Saras Gehalt völlig draufging. Aber das war es ihr wert.
Sie und
ihr Mann konnten mit dieser Lösung leben, die Kinder auch. Nur das Umfeld hatte
Probleme. Saras Familie war entsetzt: Wie kannst du nur die Kinder so lange
ohne Mutter lassen? Wenn Sara in ihren freien Wochen die Tochter vom
Kindergarten abholte, nahmen sie die Mitarbeiterinnen regelmäßig zur Seite: Ob
sie sich das mit der Arbeit auch gut überlegt habe? Ob sie nicht Angst habe,
dass ihr Kind in ihrer Abwesenheit leide? Und als sich Sara beim Finanzamt
wegen ihrer Pendlerpauschale beraten ließ, wurde die dortige Beamtin geradezu
kiebig: Wieso arbeitete sie überhaupt als Mutter von zwei Kindern? Warum
reichte es ihr nicht, dass ihr Mann verdient...
Der größte
Druck auf Frauen kommt in der Regel aus der Familie. Dabei spielen die Wünsche
der eigenen Mutter für Töchter eine große Rolle. Denn meist erwartet eine
Mutter, die sich selbst einiges versagt hat, dass ihre Tochter sich ebenfalls gegen
den Beruf und für Kinder entscheidet und damit dem mütterlichen Lebensweg folgt
und ihn implizit gutheißt. Und dass die Tochter diese Rolle dann
hundertprozentig ausfüllt.
»Für eine
Tochter ist es sehr schwer, sich in der Beziehung zur Mutter abzugrenzen, mit
ihr offen zu konkurrieren«, stellt die Soziologin und Gruppenanalytikerin
Franziska Lamott fest. Aus den Erzählungen ihrer Patientinnen weiß sie, was für
eine prägende biographische Kraft die Beziehung zur Mutter ist, auch noch im
Erwachsenenalter. »Töchter trauen sich nicht, sich von der Mutter zu
unterscheiden, ihren eigenen Weg zu gehen. Das ist tabuisiert, denn es ist ja
ein Stück Trennung. Und Töchter glauben, dass sie ihrer Mutter diese Trennung
ersparen müssen. Einerseits, um die Mutter zu schonen, aber auch, weil sie
Angst vor ihrem Neid haben und davor, nicht mehr von ihr geliebt zu werden.« 37
Während
Männer ihre Identität über das Sich-Unterscheiden entwickeln, setzen Frauen auf
Ähnlichkeit und Bindung und entwickeln Schuldgefühle, wenn sie sich abgrenzen.
Auch
Schwiegereltern sind gut darin, einen Nervenkrieg rund um die Mutterschaft zu
entfachen.
Das
Mindeste, was manche Schwiegermütter erwarten, ist eine Schwiegertochter, die
dem eigenen Frauenbild entspricht. Und dazu gehört meist, dass sie bereit ist
zur Mutterschaft. In manchen Familien ist die Schwiegermutter sogar stärker an
Nachwuchs interessiert als der eigene Sohn. Eine Schwiegertochter ist immer
auch eine willkommene Projektionsfläche.
»Eine
Frau, die freiwillig keine Kinder bekommt, hat wenige Chancen, den Klagen ihrer
Eltern zu entgehen (denen sie nicht gestattet, Großeltern zu werden)«, stellt
die französische Philosophin Elisabeth Badinter fest. »Ebenso wenig kann sie
dem Unverständnis ihrer Freunde (die sich wünschen, dass man es ihnen
gleichtut) und der Feindseligkeit der Gesellschaft und des Staates entfliehen.« 38
Zudem ist
manch älteren Frauen, deren Kinder erwachsen und aus dem Haus sind, der
Lebensmittelpunkt abhanden gekommen. Der stellt sich prompt wieder ein, wenn es
Enkel zum Bemuttern gibt. Logisch, dass sie die von ihrer Tochter oder
Schwiegertochter erwarten - und das durchaus auch sehr deutlich machen.
Oder um es
mit den Worten der Biologin Christiane Nüsslein-Volhard zu sagen: »Diese
Frauen stürzen sich auf die Enkelkinder wie die Bekloppten. Das ist der
Lebensinhalt, so wie es vorher die eigenen Kinder waren. Fragen Sie mal Frauen
mit sechzig, mit wem sie gerade telefoniert haben. Das sind selbstverständlich
die Tochter und die Enkelkinder.« 39
Und dann
gibt es noch die Freundin, die Nachbarin, die Kollegin, die Schwägerin... Je
stärker Frauen sich mit ihrer Mutterrolle identifizieren, desto größer ist ihr
Interesse, auch andere Frauen in die traditionelle Rolle herüberzuziehen. Und
ihnen die Gleichung Frau = Mutter rosig zu pinseln.
Die Masche
Damit das
Hormonkomplott funktioniert, braucht es ein moralisches Druckmittel. Schuld
eignet sich prima. Noch heute glauben viele Frauen, dass sie
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