Mika, Bascha
allein dastehen — ohne auch nur im Geringsten auf die Realität
vorbereitet zu sein.« 28
Aber weil diese
Idealisierung gesellschaftlich nicht nur akzeptiert, sondern gewollt ist,
hilft selten jemand den Frauen, sich nicht zu verrennen. Wer hat schon ein
Interesse daran, die Illusionskiste auf ein realistisches Maß zusammenzufalten?
Das müssen wir schon selber tun.
Wenn
Frauen von nichts als Familie geträumt haben, können sie vielleicht einigen
Frust wegstecken, der zu Hause auf sie wartet. Die vielen anderen, die mehr
wollten als die Mutterrolle, sind da manchmal nicht so erfolgreich. Sie suchen
sinnstiftenden Ersatz, weil ihnen schnell etwas fehlt.
»Gerade
wenn gut ausgebildete Frauen plötzlich nur noch auf Familie machen, übertragen
sie ihren Ehrgeiz häufig voll auf den Nachwuchs. Jetzt wollen sie nicht mehr
das Berufliche, sondern das Projekt Kind sehr gut machen«, beobachtet
Rosemarie Leinemann. »Dann wird ununterbrochen auf das Kleine projiziert. Es
dient als Kompensation und wird narzisstisch aufgewertet. Denn wenn sie schon
das Kind haben, muss es wenigstens hochbegabt sein«, sagt die Therapeutin. 29
Auch
Familienanwältin Peschel-Gutzeit hat so ihre Probleme mit den
überambitionierten Müttern: »Das sind Frauen, die haben keine andere erfüllende
Aufgabe mehr. Also nehmen sie das Kind in Besitz und schließen alle anderen
aus. Aber begründet wird das natürlich nicht so. Die Mütter begründen es mit
den Bedürfnissen des Kindes: Dass es gar nicht überleben würde, wenn es mich
nicht gäbe. Ich muss das alles machen. Der Vater kümmert sich ja nicht.« 30
Je stärker
der Kinderwunsch ist, desto bitterer, wenn er nicht in Erfüllung geht. Ab Mitte
dreißig beginnt das Drama. Dann fühlen sich viele, die Kinder wollen und zuvor
ein entspanntes Verhältnis zu ihrem Körper hatten, als dessen Sklavin. Er
beginnt, sie zu tyrannisieren. Die Zeit rast, und sie geraten in Panik. Jeder
Eisprung eine verpasste Chance! Wer die Verzweiflung in den Augen manch
kinderloser Frau um die vierzig entdeckt, kann das Ausmaß des Kummers erahnen,
der sie bedrückt.
Liegt das
nicht auch daran, weil es Frauen so schwerfällt, sich ein erfülltes Leben ohne
Kinder überhaupt vorzustellen? Weil sie mit der Muttermilch aufgesogen haben,
dass ihnen dann etwas Essentielles fehlt?
Es ist
noch nicht so lange her, da hatten Frauen tatsächlich kaum eine andere Wahl.
Sie brauchten den Mann, um ihre Existenz zu sichern, und das Kind, um diese
Existenz zu rechtfertigen. Ob sie Mutter werden wollten, lag selten in ihrer
Macht. Ihre Gebärmutter und das Diktat der Gesellschaft nahmen ihnen fast
immer die Entscheidung ab.
Das
änderte sich erst, als die Pille erfunden wurde, vor knapp fünfzig Jahren.
Plötzlich hatten die Frauen die Chance, die Fortpflanzung zu kontrollieren. Die
Pille war nicht nur eine medizinische Revolution, sie war eine
Kulturrevolution.
Sicher ist
ein Eingriff in den Hormonhaushalt problematisch; das fängt bei Nebenwirkungen
an und endet bei der ausschließlich weiblichen Verantwortung für die Verhütung.
Trotzdem bedeutete die Pille eine unglaubliche Freiheit. Denn die Herrschaft
über die Frauen war immer auch eine Herrschaft über das Gebären.
Mit der
Pille war die Gleichung Frau = Mutter ausgehebelt. Zumindest biologisch. Frauen
konnten die Mutterrolle annehmen oder ablehnen, sie hatten plötzlich die Wahl!
Ein Universum öffnete sich, das mit seinem Autonomieversprechen bislang
Männern vorbehalten war.
Seit der
Pille können Frauen hierzulande über Kinder entscheiden - was für ihre
Sexualität und ihre Lebensplanung eine ungeheure Umwälzung war. Aber das heißt
bei weitem nicht, dass die Mutterideologie ging, als die Pille kam.
Problemlos
schafft es das Mutterthema, zum Aufreger der Nation zu werden. In
konjunkturellen Abständen und befördert vom demographischen Desaster,
überschwemmen konservative Pamphlete die Öffentlichkeit mit ihrem modrigen
Weltbild: Dass das Wesen des Menschen festgelegt sei durch seine Kreatürlichkeit
oder ein in der göttlichen Schöpfungsordnung bestimmtes Sein. Vorrangig das
Wesen der Frau als Mutter, versteht sich, denn die gilt es ja zu domestizieren. 31
Eigentlich
dachten wir mal, wir seien weiter. Wir würden es nicht mehr ertragen müssen,
dass Menschen auf ihre Natur und ihre biologischen Funktionen reduziert werden.
Es ist, als hätte es nie eine Simone de Beauvoir gegeben, die Anfang der fünfziger
Jahre das Frauenbild in seinem
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