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Milano Criminale: Roman (German Edition)

Milano Criminale: Roman (German Edition)

Titel: Milano Criminale: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paolo Roversi
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Via Larga ab, bewaffnen sich mit Stangen, Röhren und anderem Material, das sie in der Umgebung finden, und stürmen auf die Polizisten zu.
    Bis es passiert. Ein vermummter Mann mit einer Eisenstange in der Hand geht auf einen Mannschaftswagen los.
    Ein Schrei erhebt sich in die Luft, schwebt über dem Getöse, das Cimmino in den Ohren dröhnt, und lässt ihm das Blut in den Adern gefrieren. Instinktiv dreht er den Kopf in die Richtung, aus der der Schrei kam.
    » Maronna santissima , Heilige Maria!«
    Auch Giovanni sieht, was passiert ist. Er lässt die Fahne fallen. Erschüttert.
    »Was machen die nur?«
    Das Bild scheint vor den Augen der Anwesenden zu erstarren: Die Eisenstange hat sich in die Schläfe des Beamten am Steuer des Jeeps gebohrt. Sein Kopf ist quasi gespalten, lehnt links am Seitenfenster. Seine Hände umklammern das Lenkrad. Das Gesicht eine schmerzverzerrte Grimasse.
    Ein Polizist rennt herbei. Es ist Agente Rami. Er erkennt ihn.
    »Nicolò … O mein Gott, Nicolò, was haben sie getan?«
    Er geht in die Knie, in Tränen aufgelöst.
    Cimmino hängt sich ans Funkgerät.
    »Wir brauchen sofort einen Krankenwagen!«, befiehlt er, doch er weiß, dass es zu spät ist.
    Die Schlacht dauert noch einige Minuten an. Als die Gegend endlich geräumt ist, macht sich unter den Polizeibeamten Trauer breit, gefolgt von der Wut, dem blinden und verzweifelten Zorn derjenigen, die einen Kumpel haben sterben sehen, die Stirn durchbohrt von einer Eisenstange.
    Santi kramt eine Münze aus seinen Taschen hervor und wählt.
    Nach dem ersten Klingeln hebt Carla ab.
    »Ich steige gleich in den Zug und fahre zurück. Es ist hervorragend gelaufen: Ich konnte alle Fragen beantworten!«
    Seine Frau erwidert nichts, sie wirkt abwesend.
    »Was ist los?«
    Sie kann ihre Erschütterung kaum verbergen.
    »Antonio, ich muss dir etwas sagen. Etwas Schlimmes ist passiert.«
    3
    Santi sieht aus wie ein Gespenst, als er die Questura betritt. Auch vergangene Nacht hat er kein Auge zugetan: seit achtundvierzig Stunden auf den Beinen. Selbst wenn er gewollt hätte, war an Schlaf nicht zu denken.
    Seine Kollegen sehen kaum besser aus. Das, was Martinez zugestoßen ist, hat etwas in ihnen zerbrochen. Sie fühlen sich geschwächt, ja gedemütigt. Die Presse prügelt auf sie ein, an sich nichts Neues, doch dieses Mal wollen sie es nicht hinnehmen.
    Die Zeitungsartikel über sie schmerzen fast noch mehr als die Erinnerung an den toten Kollegen. Nicht nur, dass sie diese schrecklichen Momente wieder vor Augen haben und erneut durchleben, nein, nun müssen sie auch noch diese Lügen über sich lesen.
    Cimmino sieht verstört aus, und als er Santi erblickt, umarmt er ihn. Er sagt nichts, doch seine Augen sind rotgeschwollen. Gemeinsam gehen sie die Zeitungen durch.
    Der ›Corriere‹ titelt über fünf Spalten breit: Polizist bei Zusammenstößen zwischen Polizei und Extremisten in Mailand getötet . In der Rekonstruktion des Todesfalles heißt es, dass der Beamte möglicherweise Opfer seines eigenen Unvermögens geworden sei: Um dem Übergriff durch die Masse in der Via Larga zu entgehen, wäre er mit etwas zusammengestoßen und hätte sich am Kopf verletzt.
    Blinder Hass schlägt in Antonio hoch. Er war nicht dabei, doch ihm wurde alles haarklein geschildert. Vor allem hat er die Fotos gesehen, sowohl die in den Zeitungen als auch solche, die seine Kollegen von der Politischen geschossen haben: Das war ein regelrechter Guerrillakrieg, von wegen Unfall!
    Die Durchsicht der Tageszeitungen kann ihre Laune kaum bessern. In vielen Berichten, vor allem in denen der linken Presse, wird die Polizei lächerlich gemacht und beschuldigt, sie wolle die Schuld den Demonstranten in die Schuhe schieben, um von der eigenen brutalen Vorgehensweise abzulenken.
    »Das ist doch alles kompletter Unsinn«, stößt Cimmino hervor.
    Ein anderer Artikelschreiber versucht, die Brutalität des Mordes zu rechtfertigen, indem er meint, der arme Nicolò sei gestorben, weil er beim Versuch, der Menschenmenge zu entfliehen, mit dem Jeep einen Demonstranten gestreift und zu Boden gerissen, ja verletzt habe. Daher der Wutausbruch der Menge.
    »Da haben wir’s wieder«, erklärt der Neapolitaner wütend. »Der Polizist ist der Böse, der Schlächter, der unter den Schlägen des Opfers zu Boden geht, während das Opfer sich nur selbst verteidigt. ’A mamma d’ ’e strunz è sempre prena – die Dummen sterben eben nie aus.«
    »Wir müssen der Presse unsere Sichtweise

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