Milano Criminale: Roman (German Edition)
Ohren.
Bevor der Wagen losfährt, spricht er Nicolosi an.
»Wir müssen noch mal rein«, sagt er.
»Warum?«
»Ich habe jemanden von der Fahndungsliste gesehen.«
»Von der Sorte gibt es mindestens zehn dort drinnen. Ist er gefährlich?«
Santi windet sich auf seinem Sitz.
»Na ja, er ist aus der Jugendstrafanstalt ausgebrochen. Ladendiebstahl eines Radios …«
Die Worte ersterben ihm auf der Zunge. Der Commissario hört schon nicht mehr hin; er hat Wichtigeres zu bedenken, und Antonio könnte sich die Zunge abbeißen, dass er überhaupt davon angefangen hat.
Der Wagen fährt mit quietschenden Reifen davon.
8
In einen kleinen Sessel in Nicolosis Büro versunken, sondiert der Muli die Lage.
»Also, was zum Teufel wollt ihr?«
»Du sollst uns nur ein paar Fragen beantworten, während wir auf den Kaffee warten.«
»Worum geht’s?«
»Die neue Bande, die Banken überfällt.«
Der Taschendieb spürt, wie ihm ein Stein vom Herzen fällt. Also ist er nicht wegen seiner eigenen Angelegenheiten hier. Er beginnt zu lachen.
»Da tappt ihr ganz schön im Dunkeln, was? Ich habe in der Zeitung davon gelesen …«
»Findest du das etwa komisch?«
»Sie müssen entschuldigen, Commissario, aber seit der Geschichte mit dem Dreier-Streich seid ihr einfach nur noch zum Lachen. Auf Radio Mala kursiert sogar schon ein Spottreim, wollen Sie mal hören? Egal, der ist zu schön, ich singe ihn einfach mal vor: Wähl dreimal die Sieben, schon kommen sie her. Sind die Bullen dann da, ist die Bank doch längst leer. Finde ich echt zum Schießen.«
»Ich nicht«, sagt Nicolosi trocken.
Der Muli wird wieder ernst. Er weiß, dass er es nicht übertreiben darf. Der Commissario zündet sich eine Zigarette an. Zu jedem anderen Zeitpunkt würde er es diesem überheblichen Scheißkerl zeigen, doch jetzt braucht er ihn. Die Bande, hinter der sie her sind, ist einfach nicht zu fassen. Seine Vertrauensleute wissen nichts, und die Verbrecherwelt schweigt eisern. Der Muli, der sich mit den Machtverhältnissen der Mailänder Unterwelt bestens auskennt, ist seine letzte Quelle, auf die er hoffen kann.
Die Erfahrung lehrt den Commissario, dass die neue Bande der Mailänder Ligera schon unangenehm aufgefallen sein muss.
»Wir wissen, dass sie keine Vorstrafen haben«, fährt er fort. »Und dass sie nicht von hier sind. Das kann euch doch nicht gefallen. Jemand, der in eurem Revier wildert, einfach so, ohne um Erlaubnis zu fragen …«
Sein Gegenüber zuckt mit den Schultern.
»Was ist, hat es dir die Sprache verschlagen?«
Nicolosi macht ein Zeichen mit dem Kopf.
Das Folgende geschieht blitzschnell: Antonio zieht den Muli hoch und verpasst ihm ohne jede Vorwarnung einen Tritt in die Eier. Der Commissario sieht zu, ohne die Miene zu verziehen. Santi staunt über sich selbst, was aus ihm geworden ist. Was würde Carla denken, wenn sie ihn so sähe?
Der Mann wälzt sich stöhnend auf dem Boden, beide Hände am Gemächt. Um sicherzugehen, dass er die Lektion gelernt hat, versetzt der Bulle ihm mit den Stiefeln noch einen Tritt in die Rippen.
»Also?«, fragt der Commissario, als der Mann wieder zu Atem kommt.
»Okay, okay. Es sind Piemonteser. Kleine Gang. Ihr Boss heißt Cavalieri, wird aber Wolfszahn genannt wegen seiner beängstigend aussehenden Eckzähne. Mehr weiß ich nicht.«
Nicolosi lächelt zufrieden: Endlich hat der Gegner einen Namen.
Während der Muli sich Tritte ins Gemächt fängt und widerwillig singt, lacht der Wolfszahn. Seine Gang hat die Piola del Sordo gegen eine Osteria in Lambrate getauscht: Was das Abhängen in Nachtclubs angeht, warten sie lieber noch. Sie wollen sich eine Weile bedeckt halten. Dann, im richtigen Moment, werden sie ganz Mailand erobern.
9
Nina bebt und zittert am ganzen Leib. Heftige Schauer durchzucken sie, ihre langen Beine gespreizt, Schweißperlen auf der hellen Haut. Verschlungene Leiber, die Luft getränkt von Sinnlichkeit und Körpersäften.
Vandelli keucht und schwitzt; er liegt auf ihr, stößt mit rhythmischen Bewegungen in sie hinein, während er mit dem Mund eine ihrer riesigen Titten lutscht. Draußen scheint die Sonne, es ist vier Uhr nachmittags und seit gut einer Stunde lieben sie sich wie die Verrückten. Der Mann stößt ein letztes Mal zu. Beide schreien auf. Unisono. Perfekter Einklang.
Er bleibt einige Augenblicke reglos liegen, dann lässt er sich aus ihr herausgleiten und zündet zwei Zigaretten an. Eine davon reicht er ihr.
»Stell dir vor, heute hätte ich
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