Milano Criminale: Roman (German Edition)
glatt riskiert, diesen Fick zu verpassen«, grinst er und stößt eine Rauchwolke aus. »Heute Morgen wäre ich um ein Haar im Bau gelandet.«
Nina sieht ihn verwundert an, ihr Gesicht von blonden Locken umrahmt. Vandelli hätte fast Lust, erneut loszulegen.
Sie scheint seine Gedanken zu erraten und zieht die Decke über sich.
»Was war denn los?«, fragt sie.
»Ich habe einen Bullen getroffen. Diesen jungen Typ vom Giambellino. Erinnerst du dich? Wir sind in derselben Gegend aufgewachsen, im gleichen Viertel, wir haben denselben Staub gefressen.«
»Bist du denn sicher, dass er es war?«
»Klar, ich habe ihm ja sogar zugewunken.«
»Vielleicht hat er dich nicht erkannt.«
»Aber natürlich! Der kennt mein Gesicht ganz genau und weiß auch, dass ich gesucht werde.«
»Dann bist du wahnsinnig.«
Vandelli lacht aus vollem Herzen.
»Wo war das?«
»In einer Bar in der Barona. Die Bullen haben irgend so eine arme Sau abgeholt. Ich saß an einem Tisch und wartete auf Romolino und Pietra. Wir müssen den nächsten Job klarmachen. Plötzlich wimmelte der Laden nur so von Bullerei. Er hat mich erkannt, da bin ich mir ganz sicher.«
»Und er hat dich nicht festgenommen?«
»Ach was. Er hatte ja die Hosen bis oben hin voll, seine Knie schlotterten beim Rausgehen. Und er hat sich nicht getraut, zurückzukommen und mich festzunehmen. So ein Hosenschisser.«
Er steht auf und schlüpft in seine Unterhose.
»Und wer war das, den sie mitgenommen haben?«
»Er wird der Muli genannt. Ein unbedeutender Hurenbock. Der Einzige, den sie unbeschadet dort rausholen konnten. Ein halbes Hemd. Hat sich keiner für ihn eingesetzt.«
»Was wollen die von ihm?«
Der Mann schüttelt den Kopf.
»Ist er ein Spitzel?«
Er muss lachen, wenn er sie so reden hört. Er schenkt aus der geöffneten Champagnerflasche zwei Flöten voll.
»Nein, Schatz. Kein Spion lässt sich vor versammelter Mannschaft von der Polizei abführen. Er würde danach keine Sekunde mehr leben. Sie wollten ihm wegen irgendwas Feuer unterm Hintern machen.«
Doch das Mädchen denkt mit gerunzelter Stirn an etwas anderes.
»Woran arbeitet ihr denn? Warum hast du mir nichts davon erzählt?«
Vandelli sieht durch das Fenster in die Ferne.
»Besser, wenn du nicht dabei bist.«
Nina springt vom Bett auf. Bebende Brüste und ein Blick, der Funken sprüht. Eine Amazone bereit zur Schlacht.
»Was meinst du damit? Dass es für eine Frau zu gefährlich ist?«
»Es wird kein normaler Banküberfall«, erwidert er ungerührt. »Dieses Mal will ich dich lieber nicht dabeihaben.«
Sie versucht, seine Miene zu entschlüsseln. Es ist das erste Mal, dass er sie aus einem Coup heraushält. Seit sie sich wiedergetroffen haben, am ersten Abend in Angies Wohnung, haben sie alles miteinander geteilt: das Bett und die Raubzüge.
»Warum nicht?«, fragt sie nur. Keine Spur von Wut in der Stimme, sie will es nur verstehen.
»Es ist keine Bank«, erklärt er. »Bei dem Schlamassel, den die Piemonteser anrichten, ist es schon riskant, sich einer Bank nur zu nähern. Und es ist auch keine Bar, kein Supermarkt und kein Juwelier.«
»Roberto, erspar uns das Rätselraten und komm zum Punkt!«
»Einverstanden. Wir haben es auf einen Geldtransport abgesehen. Die beiden Comasina-Jungs prüfen seit einigen Tagen die Route …«
Dem Mädchen bleibt der Mund offen.
»Warum soll ich da nicht dabei sein?«
»Wer bringt mir dann die Apfelsinen, wenn sie uns beide schnappen?«
Ein Schatten legt sich über Ninas Blick, während das sanfte Nachmittagslicht auf ihrem weichen, leicht verschwitzten Körper spielt. Zerzauste Haare und Katzenblick.
»Warum siehst du mich so an?«
Die Antwort ergibt sich von selbst. Schon hat er sie aufs Bett geworfen für die nächste Runde.
10
Die Straße ist menschenleer. Es regnet in Strömen, und wer kann, bleibt zu Hause. Die Zeiger am Rathaus zeigen sechzehn Minuten nach acht; bald öffnet die Bank. Es ist schneidend kalt, und die Landschaft drum herum ist von Raureif überzogen.
Cavalieri raucht eine Serraglio. Die parfümiertesten Zigaretten und dazu noch die teuersten, die es gibt.
›Wenn Baldi noch in unserer Bande wäre, wenn er noch am Leben wäre‹, denkt er, ›hätte er bestimmt auch daran etwas zu meckern gehabt. Er hat sich die Lungen ja lieber mit den Alfas verätzt …‹
Aus dem leise summenden Radio erklingt ein Lied von Scott McKenzie, San Francisco . Er bekommt Lust auf Urlaub. Der Beruf des Kriminellen ist ja ein Fulltimejob,
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