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Milano Criminale: Roman (German Edition)

Milano Criminale: Roman (German Edition)

Titel: Milano Criminale: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paolo Roversi
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was deine Eltern wollten.«
    »Das ist doch etwas ganz anderes …«
    »Wenn es die anderen betrifft, ist es immer etwas anderes, stimmt’s? Dabei ist es immer dasselbe: Die Eltern sind froh, die drei großen Ziele erreicht zu haben, die Ruhe versprechen – Auto, Beruf, Ehe. Die Kinder hingegen fühlen sich eingeengt. Merkst du denn gar nicht, wie es um uns herum gärt? Die Musik von den Beatles, den Stones oder von Bob Dylan oder die Literatur der Beat Generation: der Mythos eines Lebens on the road , ohne Schranken, der unter den jungen Amerikanern für solche Furore sorgt. Weißt du, wovon ich rede?«
    Antonio wusste es nicht, doch sie war nicht mehr aufzuhalten gewesen in ihrem Vortrag über angewandte Politik. Bewaffnet mit zwei Gläsern und einer Flasche Rotwein, um das Ganze eingänglicher zu gestalten.
    »Erinnerst du dich, was im Parini-Gymnasium vor rund zehn Tagen passiert ist? Das Lehrerkollegium wollte ein paar Studenten ins Gefängnis stecken, wegen einer Umfrage, die sie in ihrer Unizeitung veröffentlicht hatten.«
    »Ja und?«
    »Himmel, du bist ein echter Bulle! Findest du das etwa normal? Kinder einsperren, nur weil sie verkündet haben, jeder könne im Bett tun und lassen, was er will, solange davon nicht die Freiheit des Nächsten berührt wird. Das ist doch Irrsinn, oder?«
    »Ich glaube, du siehst das etwas zu einfach.«
    »Warum musst du sie auf Teufel komm raus verteidigen? Los, sag mir das.«
    Er schenkte sich schweigend Wein nach.
    »Also, nur damit du es weißt, es war tatsächlich einfach. Der Artikel dieser Kinder endete mit dem Satz ›Die Religion sorgt im Bereich des Sexuellen nur für Schuldgefühle‹ . Findest du diese Aussage so skandalös?«
    »Blasphemisch, wenn überhaupt.«
    »Blasphemisch? Du warst zu lange Messdiener. Sie haben dir eine Gehirnwäsche verpasst.«
    »Ach, ihr braven Kommunisten versteht es wirklich immer, die Wirklichkeit zu euren Gunsten umzudeuten.«
    »Wir? Du irrst dich, mein Lieber. Alle merken, dass die Dinge schlecht laufen, nicht nur die Linken. Sonst ließe sich überhaupt nicht erklären, was gerade in diesem Land passiert. Du weißt ja, dass die Proteste von dieser Schule auf die Universitäten übergesprungen sind, wo nun gegen die Reformvorschläge des Bildungsministers gekämpft wird. Und das sind bei weitem nicht nur Genossen, dort.«
    »Ich vermute, dass auch die Kommunistische Partei diese Reform nicht unterstützt?«
    »Genau. Das wäre auch ganz und gar unverantwortlich! Vor allem den Studenten ist dieses Gesetz ein Dorn im Auge. Von ihnen sind die Proteste ausgegangen, von der Universität von Trient, über die Cattolica in Mailand, weiter nach Turin und so fort.«
    »Was wollen die denn eigentlich?«
    »Sie wollen alles! Sie stellen die Unterrichtsmethoden in Frage, die Lerninhalte und die Macht der Professoren, die allzu oft wie Fürsten agieren, ohne auch nur eine Minute nach ihren Bedürfnissen zu fragen oder sich ihnen anzunähern. Sie wollen die Kluft überwinden und schlagen eine Lehrmethode vor, bei der die Examina auf Augenhöhe zwischen Lehrenden und Lernenden ablegt werden.«
    »Was für ein Unfug!«
    »Nein, eine Basis für Auseinandersetzung. Und ganz sicher sind Schlagstöcke nicht die geeignete Antwort.«
    Auch Carla hat sich nun aufgesetzt und lehnt am Kopfteil des Bettes. Sie blickt ihren Mann an, als sei er ein Fremder. Er braucht ihr nicht zu erklären, dass dies sein Beruf ist, dass er Befehlen gehorchen muss, dass es nicht von ihm abhängt. Alles Unfug. Sie weiß das, und er weiß es auch. Wenn er nicht damit einverstanden wäre, wenn er nicht Mitwisser wäre – wie Carla es formuliert –, würde er diese vermaledeite Uniform ausziehen. Aber er kann nicht, und er will nicht.
    »Die Studenten legen es doch darauf an, das weißt du.«
    Carlas Erstaunen wird immer größer.
    »Sie legen es darauf an? Mit Sit-ins? Ich finde, das ist doch eine sehr friedliche Art, die eigene Missbilligung auszudrücken.«
    »Fang nicht wieder an …«
    »Ich fange nicht wieder an! Ich sage nur, dass man nicht auf Leute einprügeln darf, nur weil sie mit dieser Regierung nicht einverstanden sind, mit dieser Hochschule von Magnaten …«
    »Himmel, du redest ja schon wie die!«
    »Wer die? Die Studenten? Die Kommunisten? Wie wer, Antonio?«
    »Es waren fünftausend«, lenkt er ab.
    »Ja, aber unbewaffnet. Und ihr, wie wart ihr ausgerüstet? Wie die Marines im verfluchten Vietnam? Sie wollten doch nur provozieren …«
    »Und haben mit

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