Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Milano Criminale: Roman (German Edition)

Milano Criminale: Roman (German Edition)

Titel: Milano Criminale: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paolo Roversi
Vom Netzwerk:
sie nach Mailand zurück, als schon zu spüren ist, dass der Lack der Bewegung abblättert. Das Benzin ist für die Molotowcocktails draufgegangen, und ihre Begeisterung ist verpufft wie die Rauchbomben. Zurück bleibt das Gefühl der verpassten Revolution.
    »So wird es in Italien nicht enden«, murmelt Castelli, als die ersten Lichter Mailands vor ihnen auftauchen.
    Seine zwei Genossen nicken. Es gibt nicht mehr viel zu sagen, jetzt muss gehandelt werden.
    5
    Carla hört ein Hupen. Sie erkennt es sofort, ohne zu wissen, woher. Sie schiebt gerade eine Lasagne in den Ofen; seit Ende des Studiums hatte sie reichlich Zeit, um Kochen und all die anderen Dinge zu lernen, die bisher allein ihrer Mutter vorbehalten waren. Allmählich sieht man erste Resultate, wenngleich manch ein Leckerbissen, den sie für ihren Mann zaubern will, noch unweigerlich im Mülleimer landet. Ungenießbar. Sie schaltet den Ofen aus und geht zum Fenster.
    »Ich komme runter«, ruft sie und läuft ins Treppenhaus.
    Antonio parkt direkt vor dem Haus und umrundet bewundernd seine Neuanschaffung. Es hat einige Überredungskünste erfordert, bis er nachgegeben und sein erstes eigenes Auto gekauft hat: Der Bruder hatte es satt, ihm immer seines leihen zu müssen.
    »Nun kauf dir endlich ein eigenes, Antonio. Du verdienst doch genug mittlerweile!«
    Es ist zwar kein blauer Torpedo wie in dem Lied von Giorgio Gaber, das momentan aus allen Lautsprechern schallt, aber es sieht trotzdem toll aus. Er hat sich für ein Bianchina Cabriolet entschieden, denn Carla – nimmermüde im Anmahnen der notwendigen Motorisierung und trotz ihrer kommunistischen Überzeugungen stets auf der Jagd nach der Schimäre des Wohlstands – wollte ›den Himmel von Mailand umarmen‹, wenn denn mal die Sonne schien.
    Der Wagen hat sechshundertfünfunddreißigtausend Lire gekostet: eineinhalb Jahresgehälter, zu zahlen in monatlichen Raten. Das ist überhaupt die neueste Welle, die gerade über Italien hereinbricht. Waschmaschinen, Fernsehgeräte, Autos: Jeder kann haben, was er will, bei geringer monatlicher Belastung.
    »Wir sind eine Republik auf Raten geworden«, hatte Antonio mit dem Mann von der Autofirma gescherzt, als er einen Stapel Vertragsunterlagen unterschrieb. Der Verkäufer hatte nur gelächelt. Genau wie Carla, als sie das Schmuckstück erblickt.
    »Es ist wunderschön!«, ruft sie und wirft sich dem Gatten an den Hals. »Machen wir eine Spritztour, junger Mann?«
    Auch er lächelt nun und öffnet ihr mit galanter Geste den Wagenschlag.
    »Wollen wir das Verdeck aufmachen?«
    Er nickt. Er kann ihr nichts abschlagen; er liebt es, sie glücklich zu machen. Es ist eines der Dinge, die seinem Leben Sinn geben, vor allem seit er beruflich irgendwie die Richtung verloren hat.
    Ihre Begeisterung ist ansteckend. Carla schafft es immer, ihn zum Lachen und zum Nachdenken zu bringen. So schleppt sie ihn zum Beispiel in Komödien wie Der Kassenarzt mit Alberto Sordi oder Der Partyschreck mit Peter Sellers, aber auch in Kubricks unglaublichen 2001: Odyssee im Weltraum . Ganz zu schweigen von der Musik. Man kann ruhig sagen, dass seine Frau ihn Stück für Stück prägt. Sie spielt ihm die neuesten Bands vor, neue Musikrichtungen aus England und Amerika. Und das ihm, der am liebsten tagein tagaus Adriano Celentano hören würde, um 24 mila baci, Pregherò oder Ciao ragazzi mitzusingen.
    »Ich will doch nur ein bisschen deinen Horizont erweitern«, lachte sie.
    Genau wie vor ein paar Wochen, als sie ihn auf ein Konzert ins Piper schleppte, in der Viale Alemagna, weil dort ein ›schwarzer Gitarrist‹ spielte.
    Ihre Leidenschaft für diesen Musiker hatte Carla in den Messaggerie Musicali auf dem Corso Europa entdeckt, einem riesigen Plattenladen, dem wahren Musiktempel Mailands, den sie oft und ausdauernd frequentiert. Die Initiation war mit dem Kauf der LP Are you experienced? erfolgt.
    »Du musst unbedingt mit auf sein Konzert kommen, Antonio! Musikhören ist viel besser für dich, als auf den Straßen Studenten niederzuknüppeln!«
    Also hatte er sich überreden lassen, und dann waren sie unter den ersten Besuchern, die das Lokal betraten, in der warmen Nachmittagssonne viele Stunden vor Konzertbeginn.
    »Vertrau mir«, hatte Carla ihm erklärt, »es wird proppenvoll werden. Schließlich hat man nicht alle Tage die Gelegenheit, Jimi Hendrix live zu erleben.«
    Natürlich hatte sie recht behalten. Schon gegen neun war das Piper so voll, dass kein einziger der vielen Hundert

Weitere Kostenlose Bücher