Milano Criminale: Roman (German Edition)
haben sie dieses Mal auch ein paar Funkgeräte organisiert, wie die Polizei sie benutzt, um damit deren Kommunikation abhören zu können.
Am darauffolgenden Tag, gegen Abend, als die größte Hitze vorbei ist, stellen sich Castelli, Landi und Santoni jeder an die Spitze eines eigenen Demonstrationszuges. Das verwirrt selbst die Studentenschaft.
»Wenn wir uns aufteilen, sieht er länger aus«, lautet die wenig überzeugende Erklärung, die sie ruhigstellen soll.
Die erste Gruppe läuft los. Treffpunkt ist die Piazza della Repubblica.
Die Polizisten sind in Stellung gegangen. Sie sind informiert über die Demonstration, kennen den Zugweg. Alles vorhersehbar. Glauben sie.
Castelli und seine Unterführer haben ihre Funkgeräte auf Polizeifrequenz eingestellt und warten.
Vizekommissar Cimmino kratzt sich am Kopf.
»Was haben die nur vor, sti strunz ?«
Antonio schwitzt unter seiner Uniform, obwohl die Sonne schon langsam untergeht. Der Schlagstock flutscht ihm fast aus der Hand. Auch der heutige Tag wird nicht gut enden, das spürt er.
Die erste Gruppe ist in die Via Turati eingebogen, während die beiden anderen noch nicht losmarschiert sind. An ihrer Spitze läuft Castelli und ruft die Parolen der Bewegung.
»Warum stehen die anderen noch herum?«, fragt Martinez.
Nach einer Weile setzt sich auch der zweite Zug in Bewegung, eine Minute später folgt der dritte.
Die Polizisten bleiben auf Distanz.
»Warum halten die so viel Abstand?«, krächzt Cimminos Stimme durch die Walkie-Talkies.
»Woher soll ich das wissen?«
»Eine politische Spaltung innerhalb des Zuges?«, schlägt der Mann am Gegengerät vor.
»Mag sein«, stimmt der Neapolitaner zu. »Sind ja eh immer am Streiten. Sogar untereinander! Aber wir müssen auf der Hut sein.«
Als sie den Largo Treves erreichen, klärt sich die Sache. Das ist das Risiko, das die Bewegung eingegangen ist, um herauszufinden, wie die Bullen reagieren. Die drei Demonstrationszüge teilen sich. Der von Castelli biegt in die Via Statuto ein; die anderen zwei marschieren, einer Richtung der Piazza San Marco, der andere Richtung des Largo La Foppa weiter.
Durch die Funkgeräte der Polizei erklingen aufgeregte Schreie: »Sie trennen sich, sie trennen sich! Sie wollen also nicht angreifen!«
Cimmino entspannt sich, und die Beamten atmen erleichtert auf. Castelli aber, der alles mitangehört hat, grinst zufrieden: Sie laufen in die Falle wie die Hühner zur Schlachtbank.
»Sie haben nichts gerafft«, erläutert er dem Mädchen, das seit Beginn der Demonstration nicht von seiner Seite weicht. »Sie denken, wir trennen uns, dabei kreisen wir nur das Ziel ein.«
Die großen, blauen Augen des Mädchens werden immer runder.
»Echt?«
»Klar, ich erklär’s dir«, sagt er. »Dann sagst du es den anderen weiter. Stille Post, alle müssen es wissen, denn bald geht’s los. Verstanden?«
Sie nickt begeistert. Während er dem Mädchen die Einzelheiten erklärt, wirft Castelli der Polizeikette verächtliche Blicke zu: Selbst der letzte Idiot hätte mittlerweile kapiert, was ihr Ziel war. Sie müssen nur noch warten, bis es ein bisschen dunkler ist, dann werden sie es mit eigenen Augen sehen.
Antonio bahnt sich mit den Ellenbogen seinen Weg durch die Kollegen, bis er bei Cimmino anlangt, der leise mit dem Carabiniere-Feldwebel spricht. Sie scheinen beide aus Kampanien zu stammen.
»Sie wollen uns ein Schnippchen schlagen«, fällt er den Sprechenden ins Wort.
Der Neapolitaner sieht ihn fragend ab.
»Sie trennen sich nicht, sondern gruppieren sich um, um besser zuschlagen zu können.«
»Ach, komm schon«, mischt sich der Carabiniere ein. »Sie spalten sich auf. Sie wollen keine Prügel mehr beziehen. Hab ich recht?«
»Das glaubst aber auch nur du, ’a raggiona è d’ ’e fesse «, bringt ihn der Vizekommissar zum Schweigen. Dann wendet er sich Santi zu: »Was, meinst du, haben sie vor?«
Der Polizist deutet auf einen Zeitungsstand. Pars pro toto.
»Denk doch mal nach: Was befindet sich genau in der Mitte der drei Punkte, an denen die Demonstranten sich aufgestellt haben?«
Der Hinweis auf den Kiosk lässt bei Cimmino ein Licht aufgehen.
»Heiliger Bimbam, Maronna ! Sie wollen den ›Corriere‹ attackieren, in der Via Solferino!«
»Genau!«, nickt Santi. »Und sie blockieren sämtliche Zufahrtswege.«
»Genauso wie die Fluchtwege!«, fügt der Kommissar bitter hinzu und hängt sich an sein Funkgerät. Doch es ist schon zu spät. Eine Leuchtrakete schießt vom
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