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Milano Criminale: Roman (German Edition)

Milano Criminale: Roman (German Edition)

Titel: Milano Criminale: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paolo Roversi
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sagen, dass es ihm gutgehe und es noch dauern könne. Sie hat immer nur ja gesagt.
    Zu Hause angekommen ist sie nicht da. Es ist fünf Uhr nachmittags. Er ist zu müde für Spekulationen, duscht und läuft dann unruhig zwischen Ess- und Schlafzimmer hin und her. Er blättert in dem einen oder anderen Buch aus dem großen Bücherregal, das eine ganze Wand im Wohnzimmer füllt. Wissenschaftliche Literatur seiner Frau, Romane, Gedichtsammlungen, in die er kein einziges Mal hineingeschaut hat. Eins fällt ihm in die Hände, es steht ganz vorne: Paul Valéry, das er ihr bei ihrer allerersten Verabredung geschenkt hat. Er wirft sich auf das schwarze Ledersofa mit unter dem Kopf verschränkten Armen, um so sein Unwohlsein bequem abzulegen.
    Eine halbe Stunde später kommt Carla nach Hause. Sie ist beinah geschminkt wie Mina, mit schwarz umrandeten Augen und einem nach oben führenden Lidstrich in den Außenwinkeln.
    »Das ist Kajal«, erklärt sie ihm, als er sie darauf anspricht.
    Sie trägt Minirock und Lederstiefel.
    »Wo warst du?«
    »Wir waren noch mit ein paar Kollegen Kaffee trinken.«
    »Männer?«
    »Ja, Männer. Was ist, Antonio, bist du eifersüchtig? Und was soll überhaupt diese Fragerei?«
    »Nichts, ich war nur neugierig.«
    »Und was hast du gemacht?«
    »Schreibkram im Präsidium. Ich habe den ganzen Tag die Aussagen der Verdächtigen abgetippt.«
    Sie nickt und verschwindet ins Bad.
    3
    Verhöre, Protokolle, spontane Aussagen, Berichte.
    An diesem Vormittag fühlt Santi sich wie auf dem Katasteramt. Wenn sich solche Aktenberge schon bei einer Bombe ohne Todesopfer anhäufen, will er gar nicht wissen, bis auf welche Höhe sie sich bei einer Bombe mit echten Toten türmen würden. Sofort bereut er diesen Gedanken. Völliger Unsinn, sagt er sich, aber immerhin ein Unsinn, der ihn von seiner großen Obsession ablenkt: der Vorstellung von Carla im Bett mit diesem Literaturprofessor.
    Vergangene Nacht hat er kein Auge zugetan, und jetzt überlegt er, ob er seiner Frau nach Schulschluss heimlich folgen soll. Er will mit eigenen Augen sehen, wo sie hingeht und mit wem sie sich trifft. Falls sie sich mit jemandem trifft. Und sollte es zufälligerweise nicht so sein, na ja, dann kann er immer noch in die Questura zurückkehren und Catalano zur Schnecke machen, schlimmer noch als der Polizeipräsident es ohnehin schon tut wegen des unbefriedigenden Ausgangs der Ermittlungen. Die Anarchistenspur hat sich als falsch erwiesen, als reines Hirngespinst des Leiters der Politischen Abteilung, für die es in der Realität keinerlei Beweise gibt. Alle Verdächtigen wurden unter vielen Entschuldigungen freigelassen, während die Presse die Ermittler in der Luft zerreißt und ihnen unverhohlen Unfähigkeit vorwirft. Ein Fest vor allem für die kommunistischen Blätter.
    Santi hat andere Sorgen. Ob Catalano an den Pranger gestellt wird, ist ihm gleichgültig. Und die Anarchisten genauso. Er steht auf und schlüpft in seine Jacke.
    »Wo gehst du hin?«, fragt Martinez.
    »Ich muss etwas erledigen. Wir sehen uns später.«
    Er rennt die Treppen hinunter und wie eine Furie durch das Tor nach draußen, ohne den Wachmann zu grüßen. Auf dem Bürgersteig der Via Fatebenefratelli bleibt er abrupt stehen. ›Will ich das wirklich?‹
    Ein bekanntes Gesicht erspart ihm die unangenehme Antwort.
    »Marina.«
    »Wow, du weißt ja sogar noch meinen Namen. Du bist wirklich ein Spitzel mit fotografischem Gedächtnis.«
    Antonio sieht sie an. Die Wunde an der Stirn ist fast verheilt. Sie trägt die Haare offen über die Schultern, Lippenstift und einen weißen Rollkragenpullover, der ihr Gesicht betont. Außerdem einen langen Rock. Sehr hübsch.
    »Wie kommt’s, dass du heute als Frau und nicht als Che Guevara angezogen bist?«
    »Du bist so ein Ekel! Und dabei bin ich gekommen, um mich bei dir zu bedanken.«
    »Hierher?«
    »Wohin denn sonst? Bullen findest du im Polizeipräsidium, oder?«
    »Du hast recht. Lust auf einen Kaffee?«
    »Aber nicht in dieser Bullenbar gegenüber der Questura.«
    »Andere gibt es hier in der Nähe nicht.«
    »Dann zeig ich dir eine. Hast du ein Auto?«
    Die raue Stimme klingt durch das knapp vier Quadratmeter große Zimmer. Santi liegt auf dem Bett, zwischen den Lippen einen brennenden Joint. Er nimmt einen tiefen Zug und reicht ihn dann Marina zurück, die neben ihm liegt. Beide haben die Augen geschlossen.
    The Eastern world it is explodin’,
    Violence flarin’, bullets loadin’,
    You’re old enough to

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