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Milano Criminale: Roman (German Edition)

Milano Criminale: Roman (German Edition)

Titel: Milano Criminale: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paolo Roversi
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Helm, sonst hätte die Stange ihm den Schädel zertrümmert. Er wälzt sich auf den Rücken und versucht zu atmen, als sich ein Gesicht über ihn beugt. Obwohl es halb hinter einem Tuch verborgen ist, erkennt er es sofort. Grüne Fotomodell-Augen. Tausend Biere haben sie zusammen getrunken, es ist Santoni.
    »Damit dir nie wieder einfällt, uns auszuspionieren«, schreit er, bevor er ihm das Gesicht mit der Schuhsohle bearbeitet. »Und es mit unseren Genossinnen zu treiben, du Drecksbulle!«
    Letzteres ein enorm erhellender Satz, ohne Frage. Marina hatte geplaudert, und offensichtlich sind auch die Genossen, allen großspurigen Versicherungen zum Trotz, nicht gegen Eifersucht gefeit.
    Danach schwindet die Erinnerung.
    Das komplette Bewusstsein über die Vorfälle erlangt Antonio erst in den folgenden Tagen wieder, die er mit Schmerzen am ganzen Leib im Krankenhausbett verbringt. Er erfährt zum Beispiel, dass die Typen, vor denen er sich in Zukunft hüten muss, zur ›Katanga‹ gehören und den Ordnungsdienst der Studentenbewegung darstellen, der sich formiert hat, als er schon aus ihren Reihen ausgeschieden war.
    Die Mitglieder nennen sich Katangesen , und ihr Name leitet sich von der sezessionistischen Region im Kongo ab. Offiziell sollen sie dafür sorgen, dass die Protestmärsche auf der mit Polizeipräsidium oder Präfektur abgestimmten Route bleiben – wenn es im Vorfeld eine Abstimmung gab –, dass die Demonstrationen ruhig verlaufen und eventuelle Gewaltausbrüche verhindert werden. So die schöne Theorie, versteht sich. Aus den Berichten, die er von der Politischen bekommt, geht jedoch hervor, dass die Auseinandersetzungen mit Gruppen der Rechten, aber auch mit der Polizei oder mit Gruppen der extremen Linken keine Seltenheit darstellen. Santi erfährt auch, wie sie organisiert sind. Es handelt sich um richtiggehende paramilitärische Truppen mit Ad-hoc-Ausrüstung: Kampfhelme, ›Bonbons‹ genannte walnussgroße Steine in der Tasche, und natürlich der ›Stift‹, der berühmt-berüchtigte verchromte Hazet 36 – mit dem ihm wahrscheinlich das Bein zerschlagen wurde –, ein fast armlanger, stählerner Schraubenschlüssel, der gut heimlich unter Parka oder Lodenmantel getragen werden kann.
    Auf dieses Werkzeug war die Wahl gefallen, nachdem man Spitzhacke und Baseballschläger verworfen hatte, weil weniger geeignet für die Bullendresche. Ganz zu schweigen davon, dass der Stift den unstrittigen Vorteil hatte, auch als ganz normales, unverzichtbares Arbeitsgerät durchzugehen. Die Protokolle strotzten nur so von angehenden Klempnern, Hausmeistern, Mechanikern und Hobbybastlern, die allesamt erklärten, irgendwelchen Verwandten bei der Reparatur eines heimischen Rohrschadens zur Hand gehen zu wollen oder mit dem Auto liegen geblieben zu sein.
    Diese Idee war im Verteidigungsausschuss der Katangesen entstanden, einer größeren Gruppe von Anwälten, die sehr detaillierte Anweisungen gegeben hatten, wie man sich im Falle einer Festnahme verhalten solle: »Ihr leugnet selbst das Offensichtliche, auch wenn es fotografisches oder filmisches Beweismaterial gibt. Und wenn sie euch mit dem Schraubenschlüssel erwischen, sagt ihr, dass ihr gerade unterwegs wart, das Badezimmer eurer Oma zu reparieren oder das Auto eures Vaters.«
    Einer der von Castelli ersonnenen Slogans lautete übrigens: »Friedfertig, aber niemals pazifistisch.« Und ganz bestimmt waren die Katangesen alles andere als zahm und still; in den Dossiers wurden sie als eine Art Militärcorps beschrieben, eine wahre makedonische Phalanx von mindestens vierhundert Leuten, die nicht einmal vor den Schilden der zur Schlacht aufgereihten Polizisten haltmachten. Und manchmal – das hatten sie bitter am eigenen Leib erfahren müssen – geschah das krasse Gegenteil.
    Katanga-Chef war Luigi Landi, der aus dem Marxismus seine Lebensphilosophie gemacht hatte, sekundiert von Mario Santoni. Ihnen unterstanden verschiedene Kommandanten, die jeder eine eigene Abteilung befehligten: So gab es zum Beispiel an der Wirtschaftsuniversität Bocconi die Gruppe ›Stalin‹ oder die ›Dimitroff‹-Gruppe und viele andere. Besonders herausragend unter ihnen war die Gruppe ›Lenin‹ der medizinischen und wissenschaftlichen Fakultät, angeführt von Santoni. Diese Gruppe mit ihrem für die Geschichte des Kommunismus so illustren Namen war Landis zuverlässigster und militantester Trupp, eine Art Sondereinheit, der ungefähr fünfzig Mann angehörten.
    »In einfachen

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