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Milano Criminale: Roman (German Edition)

Milano Criminale: Roman (German Edition)

Titel: Milano Criminale: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paolo Roversi
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Worten«, witzelte Santi mit Martinez, »die Katanga-Paras haben uns in einen Hinterhalt gelockt und uns mächtig den Arsch aufgerissen!«
    »Du erinnerst dich also wieder! Sehr gut.«
    »Klar. Vollidiot!«
    »Wer, ich?«
    »Nein, ich, Martinez, ich selbst. Im Vergleich zu mir warst du geradezu genial. Deine Rote war ja eine wahre Schönheit und vor allem nicht die leicht reizbare Konkubine vom Chef irgendeiner bewaffneten Bande von Irren!«
    »Was redest du da? Haben sie dir eine Ladung LSD in die Vene gespritzt, oder was phantasierst du da zusammen?«
    Doch Antonio ist völlig klar. Die Puzzleteilchen in seinem Kopf ordnen sich zu einem Gesamtbild: Santoni ist Marinas Freund. Im Dossier der Politischen gibt es ein Foto, auf dem sie zusammen zu sehen sind.
    »Ich phantasiere nicht, Nicolò. Und eins will ich dir sagen: Es gibt keine Kreatur, die mehr nach Rache dürstet als eine abgewiesene Frau. Sie fühlt sich in ihren Gefühlen verletzt, gedemütigt. Und das will sie dir heimzahlen, aus tiefster Seele.«
    5
    Goldblonder Pagenkopf, große Rehaugen, zarter Körperbau, spitzbübischer Blick: eine Art Kindfrau, sozusagen.
    »Mich stößt das ab.«
    »Ich würde sie gern mal richtig rannehmen.«
    »Du bist aber auch nicht der Maßstab, Nicolò, deine Hormone spielen ja immer verrückt.«
    Die zwei Polizisten sehen sich Fotos aus dem Boulevardblatt ›Gente‹ an. Einen Beitrag über das androgyne Fotomodel Twiggy. Ein ganz großer Star dank des Minirocks, wie die Zeitschrift wahrheitsgetreu berichtet.
    »Hübsche Erfindung, meinst du nicht?«, fragt Santi ironisch.
    »Kann man wohl sagen«, stimmt der Kollege zu. »Hier steht, eine gewisse Mary Quant habe ihn mit einundzwanzig Jahren erfunden. Bei ihren Entwürfen habe sie sich von der Pop-Art inspirieren lassen – cheap and chic nannte sie das. Die wurden dann zum Vorbild der jungen Mode im Swinging London.«
    »Willst dir wohl auch ein paar Exemplare zulegen, was?«
    »Warum nicht? Im Übrigen wäre sie längst schon wieder in der Versenkung verschwunden, hätte sie nicht eines Morgens den Einfall gehabt, aus ein paar Zentimetern Stoff diesen Fetzen zu schneidern. Die Vorstellung, die Beine nicht zu bedecken und alles andere auch nur mit dem Notwendigsten, finde ich herrlich.«
    »Das hast du in der Zeitschrift gelesen, stimmt’s?«
    »Wortwörtlich«, lacht Martinez. »Warum?«
    »Nur so, sonst hätte ich dich jetzt der Sitte übergeben. Red weiter, los.«
    »Viel mehr ist es nicht. Im Minirock betritt Twiggy die Bühne, die mit nur sechzehn Jahren auf den Modeolymp geschossen wird und dem Swinging London Gesicht und Beine gibt. Ihr richtiger Name lautet Lesley, aber alle nennen sie Twiggy, weil sie so dürr ist wie eine Bohnenstange.«
    »Ihr redet doch über mich, oder?«
    Mit einem Lächeln kommt Carla herein und geht zu ihrem Mann, um ihn auf den Mund zu küssen.
    »Klar«, lügt Martinez und klappt schnell die Zeitschrift zu.
    »Ihr müsstet euch mal sehen: So bandagiert, wie ihr seid, könnte man euch glatt für Mumien halten. Und dann habt ihr noch die Chuzpe, Mädchenbeine in Illustrierten zu beglotzen.«
    Antonio freut sich, sie zu sehen. Die dummen Gedanken sind verflogen. Die Nachmittage verbringt seine Frau bei ihm. Sie sitzt an seinem Bettrand, sie reden, lesen; sie verbringen Zeit miteinander, die ihnen im Alltag zu Hause immer gefehlt hat.
    Sie fangen sogar an zu lernen, denn er möchte an einem Bewerbungsverfahren teilnehmen, um sich zum Kommissar für öffentliche Sicherheit weiterzubilden, das in einigen Monaten in Rom stattfinden wird.
    »Ich kann dir ja helfen, dich auf die Prüfungen vorzubereiten«, hatte sie sich erboten, als er ihr das erste Mal von seiner Idee erzählt hat. »Dann tust du wenigstens etwas Sinnvolles während deiner Genesung.«
    Santi weiß im tiefsten Innern, dass er das nicht tut, um Zeit totzuschlagen. Er möchte einfach nicht mehr raus auf die Straße, mit dem Schlagstock in der Hand. Er glaubt nicht mehr daran. Und er hat Angst: Ohne es zuzugeben, macht er sich in die Hose bei dem Gedanken, noch einmal vor einem erbosten Katanga-Heer mit hocherhobenen Monster-Schraubenschlüsseln zu stehen.

Liveübertragung vom Mond
    1
    Der See ist glatt wie ein Bügelbrett. Kein Windhauch kräuselt seine Oberfläche, und die Sonne macht Lust, schwimmen zu gehen.
    Die Frau hat sich bei ihrem Verlobten untergehakt. Sie ist klein, um die fünfundzwanzig, mit feinen Gesichtszügen und schulterlangen, glatten Haaren. Ein Spätzchen. Er

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