Milano Criminale: Roman (German Edition)
kill but not for votin’,
You don’t believe in war, but what’s that gun you’re totin’?
And even the Jordan river has bodies floatin’,
But you tell me over and over and over again, my friend,
Ah, you don’t believe we’re on the eve of destruction.
»Schön, oder?«, fragt sie, als das Lied endet. »Es heißt Eve of Destruction , der Sänger ist ein Amerikaner namens Barry McGuire: Vietnam, Israel, China … Hast du von ihm gehört?«
»Aber klar. Oder glaubst du, ich wüsste nicht, dass wir am Anfang vom Ende stehen?«
Sie setzt sich auf und lacht.
»Wir haben zu Hause die Platte. Ich habe sie bestimmt hundert Mal gehört«, fährt er fort. »Und mir wurde auch haarklein der Text erklärt. Englisch ist mir ein absolutes Rätsel.«
»Er wurde dir erklärt?«
»Von meiner Frau.«
Es herrscht einen Moment Stille, dann nimmt sie den Faden wieder auf.
»Es gibt eine Übersetzung von Pino Masi. Er hat sie Die Stunde des Gewehrs genannt. Dieselbe Musik mit italienischem Text, der sich an den aktuellen Ereignissen orientiert. Möchtest du es hören?«
»Nein, mir ist das Englische lieber. Ich will es gar nicht verstehen, will nichts wissen. Ich bin es so müde, das alles Tag für Tag mit ansehen zu müssen.«
»Du bist resigniert und reaktionär.«
»Hör mit der Propaganda auf. Da reicht mir völlig meine Frau.«
Sie sieht ihn an: Schon zweimal hat er sie erwähnt. Sie beugt sich über ihn und sucht seine Lippen. Noch ein Kuss, leicht, aber intensiv. Wie der nach der Festnahme.
»Ist es das erste Mal, dass du sie betrügst?«, fragt sie, als sie sich wieder aufrichtet.
»Ich betrüge sie nicht.«
»Noch nicht, meinst du wohl«, lacht sie schelmisch, während sie sich den weißen Pullover über den Kopf zieht. Darunter kein BH , milchweiße Haut.
Antonio regt sich nicht.
»Himmel, was ist mit dir? Du wirst doch nicht etwa ein schlechtes Gewissen haben?«
»Wie kommt es, dass du und ich hier auf dem Bett liegen? In einem Gästezimmer der Universität?«
»Ganz ruhig, ich will nichts von dir. Es geht nur um Sex. Ich habe auch einen Freund …«
Er sieht ihre Brüste an, die kleinen, festen Nippel. Geschlossene Knospen auf noch unreifen Hügeln.
Er möchte hineinbeißen, sie in den Händen halten, gierig an ihnen saugen. Doch er tut nichts davon. Stattdessen steht er auf und zieht sich die Jacke über.
»Du bist ein wahrer Ehrenmann, Santi«, verhöhnt sie ihn unter verächtlichen Blicken.
Er nickt leise, verlässt ohne ein weiteres Wort das Zimmer und schließt die Tür hinter sich.
Gerade hat er beschlossen, dass er Carla nicht nachspionieren wird. Er fände es nicht richtig. Wenn du der Frau nicht mehr traust, die du geheiratet hast, wem dann?
4
Es dauert eine Weile, bis das Beruhigungsmittel wirkt und der Schmerz nachlässt. Nun erst realisiert Antonio, dass er sich in einem Krankenzimmer befindet. Sein Kopf tut weh und ein Bein ist eingegipst. Im Bett neben ihm liegt Martinez.
»Du bist also nicht in die Luft geflogen«, begrüßt ihn dieser, als er sieht, dass Antonio wach ist.
»Was zum Teufel ist passiert?«
»Weißt du das nicht mehr?«
Hinter Antonios Schläfen pulsiert das Blut, und er sieht alles nur verschwommen. Er versucht, den Kollegen scharf zu stellen. Der ist ebenfalls übel zugerichtet.
»Wie geht es dir?«
Nicolò lächelt und zeigt dabei einen kaputten Zahn.
»Hätte schlimmer kommen können: ein gebrochener Arm und ein paar gequetschte Rippen. Die haben uns ganz schön eins draufgegeben.«
Antonio schüttelt den Kopf, dann schließt er die Lider und hat im selben Moment wieder die Bilder vor Augen.
Alle.
Es geschieht ohne jede Vorwarnung. Er, Martinez und rund ein Dutzend Kollegen kehren zu den Spähpanzern zurück. Der Aufmarsch ist zu Ende, und sie wollen ins Präsidium fahren. Nur wenige Hundert Meter trennen die Universität von der Piazza Cordusio. Sie sind entspannt, rauchen und unterhalten sich, als es aus einer Seitenstraße jäh über sie hereinbricht.
Wieder hört Antonio ihr Kampfgeschrei, wie bei den Indianern. Es ist dasselbe, das er bei der Geiselnahme des Professors noch nicht kannte und das er seitdem nicht mehr vergessen hat: »Kata-kata-katanga!«
Es sind um die fünfzig, und sie stürzen mit Eisenstangen und Rohrzangen auf sie zu, Knochen brechen wie Grissini. Er hat nicht einmal Zeit, zum Schlagstock zu greifen: Ein unfassbar heftiger Schlag auf den Kopf lässt ihn wanken und zu Boden stürzen. Zum Glück trägt er noch seinen
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