Milchbart (German Edition)
Ding loszuwerden!
Fanni kehrte um, ließ den Treppenaufgang links liegen und fand sich in einem Flur wieder, der sich in nichts von demjenigen unterschied, auf dem ihr Zimmer lag. Nur die Zahlen auf den kleinen Schildchen ganz oben an den Türen waren anders: 111, 112 …, während sie auf der anderen Seite 101, 102 … lauteten.
Sie wollte schon umkehren, weil es keinen Zweck hatte, hier herumzuirren, als sie entdeckte, dass die Tür neben 112 schmaler war als die übrigen. Sie ging darauf zu und stellte fest, dass diese Tür keine Nummer hatte.
Wer will schon auf der 13 wohnen, selbst wenn noch eine 1 davorsteht!
Statt eines Schildchens mit der Zimmernummer war eine Sonne aus Keramik angebracht, auf der »Personal« stand.
Ein Raum, der womöglich nicht durchsucht worden ist, dachte Fanni.
Weil er bestimmt immer zugesperrt ist!
Irrtum! Die Tür gab nach, als Fanni den Knauf nach links drehte.
Drinnen war es so dunkel, dass sie nicht einmal Umrisse erkennen konnte. Sie tastete nach dem Lichtschalter, fand ihn, doch als sie ihn betätigte, tat sich nichts. Sie öffnete die Tür bis zum Anschlag, sodass der Lichtschein vom Flur ins Zimmer fiel, und schaute wieder hinein. Es dauerte einige Augenblicke, bis ihr klar wurde, dass sich keine Möbel darin befanden.
Doch, hier, gleich neben dem Eingang!
Tatsächlich, da stand ein Tischchen, und darauf entdeckte Fanni eine Nachttischlampe. Sie trat näher und drückte auf den kleinen Knopf am Fuß.
Diesmal ging das Licht an, verbreitete jedoch nur wenig Helligkeit. Dennoch konnte Fanni sehen, dass sie sich in einem Umkleideraum befand. An den Wänden entlang reihten sich Spinde, die mit Namensschildern versehen waren, deren Aufschriften sie in der Düsternis jedoch nicht entziffern konnte.
Irgendwo müssen die Schwestern ja ihre Mäntel, ihre Handtaschen und was weiß ich aufbewahren!
Fanni drehte eine Runde durch den Raum, starrte die unleserlichen Namensschilder an und wollte gerade wieder gehen, als sie eine schmale Tür entdeckte. Sie führte in ein kleines Badezimmer.
Nachdem Fanni den Schalter an der Wand betätigt hatte, sprang eine Neonröhre an und verbreitete grelles, kaltes Licht.
Fanni eilte zum Eingang zurück und schloss die Tür zum Flur, bevor sie sich in dem Badezimmer umsah: Dusche, Toilette, Waschbecken mit Unterschränkchen.
Fanni bückte sich und öffnete es.
Glaubst du tatsächlich, Alexander könnte das Drahtknäuel, das ihm als Tatwaffe gedient hat – immer vorausgesetzt, er wäre der Täter –, hier drin versteckt haben?
Fanni glaubte gar nichts. Sie suchte einfach.
Im Schränkchen befanden sich ein Stapel frische Handtücher, zwei volle Seifenspender, Körperlotion und etliche Rollen Toilettenpapier.
Sie hob den Packen Handtücher hoch, schaute dahinter nach und rückte dann das Toilettenpapier hierhin und dorthin. Einer der Seifenspender fiel um, und als sie ihn wieder aufstellte, wackelte das Bodenbrett. Erst in diesem Moment registrierte sie, dass es gut fünf Zentimeter höher lag als der Fußboden. Demnach musste sich ein Hohlraum darunter befinden.
Ohne Zögern räumte Fanni das Schränkchen komplett aus und hob das Brett heraus.
Falls du gehofft hast, das gesuchte Drahtknäuel zu finden: Fehlanzeige!
Der Hohlraum war jedoch nicht völlig leer. Fanni griff hinein und förderte eine schwarze Aktenmappe zutage, wie man sie zum Aufbewahren von Schriftstücken verwendet. Sie setzte sich auf den Klodeckel und schlug sie auf. Zuoberst lag eine Liste mit Daten, Uhrzeiten und Ortsangaben – hauptsächlich waren Räumlichkeiten innerhalb der Klinik genannt. Darunter befanden sich Fotos.
Das ist ja Klunkerlady!
Allerdings, dachte Fanni, während sie die Bilder durchblätterte. Auf jedem der Fotos war Frau Kübler zu sehen.
Mal in Begleitung von Burn-out-Karg, mal in Gesellschaft anderer Herren!
Und sehr oft in intimer Pose.
Intimer Pose! Geht’s noch geschwollener? Die knutschen, Fanni! Und hier auf diesem Foto – meine Fresse!
Fanni studierte die Bilder und fragte sich, wer sie aufgenommen und hier verwahrt hatte.
Und wozu?
Das riecht nach Erpressung, dachte sie. Und das Versteck legt den Verdacht nahe, dass eine der Schwestern die Erpresserin ist.
Sie ordnete die Bilder, legte sie in die Mappe zurück und klappte sie zu.
Als sie sich erhob, um sie in den Hohlraum unter dem Bodenbrett zurückzulegen, hörte sie, wie sich die Tür zum Umkleideraum öffnete. Die Mappe noch in der Hand, sprang sie in die
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