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Milchbart (German Edition)

Milchbart (German Edition)

Titel: Milchbart (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Mehler
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damit, dass sich Frau Bogner allgemein sehr reserviert verhielt?«
    Schwester Rosa rückte das Wasserglas zurecht und stellte die kleine Schale aus durchsichtigem Plastik, in die sie die Schlaftabletten gelegt hatte, wieder exakt daneben. »Marita war ein kalter Fisch«, sagte sie halb zu sich selbst. »Sie ließ niemanden an sich ran. Bertie hat sehr darunter gelitten.«
    Ho, ho, hat sich etwa Bertie hie und da mit Rosie getröstet? Da wäre es ja kein Wunder, wenn unser tüchtiger Gollum mit der Bogner Zoff bekommen hätte.
    »Hat Frau Bogner ihren Sohn auch so offenkundig auf Abstand gehalten wie ihren Mann und ihre Kollegen?«, fragte Fanni.
    Schwester Rosa lachte freudlos auf. »Tillman – unser kleiner Bildhauer – stand bei seiner Mutter beileibe nicht besonders hoch im Kurs.«
    »Ah, er ist Künstler«, begann Fanni. »Wo …?«
    Weiter kam sie nicht, denn Schwester Rosa hatte sich offenbar entschlossen, zum klinischen Alltag zurückzukehren. »So, nun ist es aber genug. Wir sollten schleunigst zu Bett gehen nach diesem langen, anstrengenden und verstörenden Tag.«
    Fanni fand gerade noch Zeit, ihr eine gute Nacht zu wünschen, da war Schwester Rosa schon aus der Tür.
    Und jetzt spülen wir das Schlafmittel ins Klo!
    Fanni warf einen Blick auf die bläulichen Tabletten und entschied, mit der Entsorgung bis zum Morgen zu warten.
    Wer weiß?, dachte sie. Womöglich ist mir eine Mütze voll Schlaf ein paar Toxine wert.
    Sie wollte gerade ins Badezimmer gehen, um zu duschen, als sie draußen vor ihrer Tür jemanden außergewöhnlich laut reden hörte.
    Um zehn Uhr abends! Da wird Schwester Rosa aber gleich geharnischt dreinfahren!
    Zweifellos war es aber Schwester Rosas Stimme, die sich über das nächtliche Ruhegebot hinwegsetzte, das laut Hausordnung von zweiundzwanzig bis sieben Uhr auf den Gängen vor den Patientenzimmern galt.
    »Wo treiben Sie sich bloß herum, Alexander? Sie sind schon wieder zu spät.«
    »Ich bin pünktlich, Schwester Rosa. Pünktlich wie der Stadtbus. Sehen Sie – klack –, jetzt ist der große Zeiger auf die Zwölf gesprungen, und der kleine steht genau auf der Zehn.«
    »Und Sie springen auf der Stelle in Ihr Zimmer«, hörte Fanni die Schwester entgegnen, wobei sie sich bemühte, ihre Stimme zu senken.
    Im nächsten Augenblick wurde eine Tür ins Schloss gedrückt, und ein leises Rascheln zeigte an, dass Schwester Rosa sich entfernte.
    Fanni war sinnend stehen geblieben.
    Wo Alexander wohl gewesen war?
    Sein Verhalten gab ihr Rätsel auf. Es war, als würde er sich oft von einer Sekunde auf die andere verwandeln. Einmal wirkte er naiv und scheu, wie ein verängstigtes Kind; im nächsten Moment sprach und handelte er wie ein tatkräftiger Mann; und dann wieder gab er sich wie ein Lausejunge.
    Er ist halt einfach gestört!
    Aber ich mag ihn, dachte Fanni. Und ich würde ihm gern vertrauen.
    Wie heißt es so schön? Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser!
    Also gut, dachte Fanni und setzte sich auf den Rattanstuhl. Nehmen wir also einmal an, Alexander hätte Frau Bogner getötet. Anschließend hat er ihr Zimmer verlassen und ist mit harmloser Miene an mir vorbeigeschlendert. Die Tatwaffe hatte er –
    – in der Hand.
    Na ja, wohl eher zu einem Knäuel aufgewickelt in der Hosentasche. Er ist in sein Zimmer gegangen –
    – und hat sie dort versteckt!
    Fanni schüttelte den Kopf. Dann hätte man sie gefunden, denn sicherlich ist auch Alexanders Zimmer durchsucht worden. Wahrscheinlicher ist, dass er sie auf dem Weg zu seinem Zimmer entsorgt hat.
    Fragt sich, wie?
    Fragt sich, wo?
    Kurz entschlossen erhob sich Fanni und trat auf den Flur hinaus. Soweit sie wusste, befand sich Alexanders Zimmer ganz am Ende.
    Er ist die Treppe heraufgekommen und hier entlanggegangen, überlegte sie. Aber auf dem Weg bis hierher zu meiner Tür gibt es keinen Müllschlucker, kein Schränkchen und keinen Blumentopf, worin er die Tatwaffe verschwinden lassen hätte können.
    Dann solltest du dir mal den Rest der Strecke ansehen, die er zu seinem Zimmer zurücklegen musste.
    Fanni setzte sich in Bewegung, obwohl sie sah, dass sich nirgendwo ein Möbelstück oder eine Pflanze befand.
    Langsam glitt sie an den Gemälden vorbei, die auch hier oben im ersten Stock die Wandstücke zwischen den Zimmertüren dekorierten. Nichts.
    Versuch es doch mal in der anderen Richtung! Womöglich hat Milchbart einen kleinen Abstecher in den Flur auf der gegenüberliegenden Seite des Treppenaufgangs gemacht, um das

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