Milchbart (German Edition)
berufliche Auseinandersetzung zurückzuführen ist.«
»Private Differenzen also«, erwiderte Sprudel. »Was der ganzen Sache einen delikaten Anstrich gäbe.«
Fanni legte überrascht die Kuchengabel beiseite. »Meinst du, Frau Bogner und Professor Hornschuh hatten ein Verhältnis?«
Sprudel nickte. »Ist das nicht naheliegend? Beruflich bewegen sich die beiden ganz auf einer Linie, da kommt man sich doch auch privat schnell näher.« Nach einem Augenblick fügte er hinzu: »Ob der Professor wohl verheiratet ist?«
Fanni nahm die Gabel wieder auf und stach heftig in ihre Sachertorte. »Ich muss endlich an diesen Seibold rankommen. Der sollte uns eine Menge Fragen beantworten können.«
»Oh ja«, erwiderte Sprudel fast schwärmerisch, »Antworten wären gut – Antworten und Auskünfte. Auch ein paar zweckdienliche Erklärungen würden uns vielleicht aus der Sackgasse helfen.« Er kniff die Augen zusammen, wie man es bei einem unverhofften Einfall tut. »Sapperment, die Erpresserfotos. Wer weiß, was es noch alles für Bilder gibt?«
Fanni warf ihm einen aufmunternden Blick zu. »Antworten wären toll. Wir kriegen sie schon noch. Und wir stecken längst nicht mehr so tief in der Sackgasse wie am Anfang. Haben wir nicht inzwischen etliche Motive für den Mord zu bieten? Leidenschaften, wie sie im Buche stehen, Eifersucht …«
Erstaunt registrierte sie, dass Sprudel ein enttäuschtes Gesicht machte.
Sein Teller ist leer! Das ist es, was ihn deprimiert!
Fanni musste grinsen, wurde jedoch schnell wieder ernst. »Der Kernfrage sind wir allerdings noch keinen Schritt näher. Wir haben noch immer keine blasse Ahnung, wie der Täter in Frau Bogners Behandlungszimmer gelangt sein könnte.«
Sprudel schien sich mittlerweile mit dem leeren Teller abgefunden zu haben, schob ihn weg und trank seinen Kaffee aus. »Womöglich liegt das daran, dass wir von falschen Voraussetzungen ausgehen. Die Frage, wie der Täter dort hineingekommen ist, würde sich ganz von selbst beantworten, wenn die Tatzeit definitiv vor neun Uhr läge – oder wenn doch Alexander der Täter wäre.«
»Zweifellos«, antwortete Fanni. »Aber was nützt es, ständig neue Theorien aufzustellen, die alten zu verwerfen, wieder umzuschwenken und so immer weiter? Ist es nicht besser, einmal festgelegte Parameter einzuhalten – jedenfalls so lange, bis Fakten dagegensprechen?«
Als Sprudel zustimmend nickte, fuhr sie fort: »Halten wir uns also an die Übereinkunft, die ich mit Alexander habe. Wie du weißt, lautet sie: ›Alexanders Angaben entsprechen voll und ganz der Wahrheit‹, was logischerweise auch bedeutet, dass Frau Bogner erst starb, nachdem er ihr Zimmer verlassen hatte.« Etwas kleinlaut fügte sie hinzu: »Obwohl es irritierend ist, dass die Ermittler bei der Überprüfung der Alibis den Zeitraum zwischen acht Uhr dreißig und zehn Uhr fünfzehn nennen. Sie müssten doch den exakten Todeszeitpunkt kennen.«
Sprudel wiegte nachdenklich den Kopf. »Vielleicht wollte sich der Gerichtsmediziner nicht so genau festlegen. Wie auch immer, machen wir an dem Punkt weiter, an dem wir gestern schon waren. Hypothese A: Weder Fanni Rot noch Alexander Pauß haben Marita Bogner getötet.«
»A eins«, fuhr Fanni spontan fort, »der Täter hat es irgendwie geschafft, unbemerkt in Marita Bogners Zimmer zu kommen – wie, muss noch geklärt werden.«
Während sie sprach, sah sie Sprudels Augen aufstrahlen.
Was freut ihn denn mit einem Mal? So scharfsinnig war deine Äußerung ja nun wirklich nicht, dass sie zu Jubel Anlass geben könnte!
Sprudel nahm ihre linke Hand, führte sie an seine Wange, küsste ihren Handteller. »Du hast dich wieder erinnert. So sind wir doch früher immer vorgegangen. Um der Lösung eines Falles näherzukommen, haben wir riesige Gebilde aus Hypothesen gebaut.«
Als ob es großartiger Erinnerungen bedürfte, einzelne Punkte zu einer logischen Kette zusammenzufügen!
Eben, dachte Fanni, man tut es ganz automatisch.
Als sie weitersprach, ließ sie jedoch ihre Hand, wo sie war. »A zwei: Aufgrund eines möglichen Motivs kommen als Täter in Betracht, A zwei klein a: der Ehemann Bertie Seibold, weil …« Sie zögerte, und Sprudel sprang ein.
»Weil ihre Beziehung den Bach hinunterging, was an Motive wie Hass, Wut, Eifersucht – kurz Leidenschaft, wie du schon sagtest – denken lässt.«
Fanni nickte zustimmend. »A zwei klein b: Schwester Rosa.« Sie sah Sprudel unschlüssig an, der erneut aushalf.
»Weil
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