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Milchbart (German Edition)

Milchbart (German Edition)

Titel: Milchbart (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Mehler
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eine Kleinarbeit es ist. Ein ungeheurer Zeitaufwand, dem der Preis nicht gerecht werden darf, wenn man eine gewisse Stückzahl an den Mann bringen will. Zum Glück ist das Material für meine Schraubenmännchen so günstig zu haben.«
    Wieder zwinkerte Tillman. »Sie dürfen sich in meinem Reich gern ein wenig umschauen.« Dabei beschrieb er mit dem rechten Arm einen Halbkreis. Fannis Augen folgten der Bewegung. Als ihr Blick auf Höhe des kleinen Schuppens ankam, der ein gutes Dutzend Schritte westlich des Hauses stand, öffnete sich dessen Brettertür und eine junge Frau trat heraus.
    Aber das ist ja Kleptomanski!
    Fanni fokussierte die Erscheinung und musste der Gedankenstimme recht geben. Es handelte sich tatsächlich um Michaela Kofler. Tillman winkte ihr zu, sie winkte zurück, doch anstatt näher zu kommen, ging sie in Richtung des Waldweges davon.
    Fanni schaute ihr verdattert nach. »Oh«, sagte sie dann, »wir sind offenbar nicht die Einzigen, die heute von der Parkklinik zu Ihrem hübschen Wohnsitz spaziert sind. Frau Kofler scheint allerdings nicht zum ersten Mal hier zu sein. Es sieht beinahe so aus, als würde sie sich hier schon ganz zu Hause fühlen.«
    Erneut zwinkerte der junge Mann.
    Macht er das absichtlich, oder hat er auch eine Therapie nötig?
    »So könnte man es nennen«, erwiderte er. »Aber denken Sie nicht gleich rosarot.«
    In die darauf folgende Stille hinein sagte Sprudel: »Wir haben bereits mehrfach von Ihnen reden hören. Sie müssen der Sohn von Frau Bogner sein, die gestern auf so tragische Weise ums Leben kam. Erlauben Sie mir, Ihnen zu kondolieren.«
    »Tillman Bogner«, stellte sich der junge Mann nun vor und streckte Sprudel die Hand entgegen. Der schüttelte sie, nannte seinen Namen und sprach dem jungen Mann sein Mitgefühl aus.
    Auch Fanni kondolierte Frau Bogners Sohn und fügte noch hinzu: »Ich war bei Ihrer Mutter in Behandlung und habe sie sehr geschätzt.«
    »Ja«, erwiderte Tillman in seltsam geschäftsmäßigem Ton, »sie gilt – galt – ganz allgemein als hervorragende Therapeutin.«
    Fanni warf ihm einen forschenden Blick zu. »Es heißt, die Beziehung zwischen Ihnen und Ihrer Mutter …« Sie kam ins Stocken und brach ab.
    So aufdringlich fragt man ja auch nicht!
    Plötzlich wirkte Tillman bekümmert. »Für meine Mutter war ich die größte Enttäuschung, die einem im Leben widerfahren kann.«
    Fanni sollte keine Gelegenheit bekommen, nach dem Grund dafür zu fragen, denn kaum hatte Tillman zu Ende gesprochen, erklang unvermittelt die recht bekannte Tonfolge aus dem Beatles-Song »We All Live In A Yellow Submarine«. Tillman griff in seine Gesäßtasche und angelte ein Handy heraus.
    Das ist nicht bloß ein Handy! Das ist ein iPhone! Damit kann man E - Mails verschicken, im Internet surfen!
    Fanni versuchte, die Gedankenstimme abzuschalten, doch es gelang ihr nicht. Das Stimmchen quäkte vernehmlich weiter in ihrem Kopf:
    So ein Teil ist sauteuer! Leni hat das doch erwähnt, als sie dir dieses Apple-Dings gezeigt hat, mit dem sie dir E - Mails aus Argentinien schicken will!
    Tillman nahm das Gespräch entgegen, lächelte und sagte: »Hey.«
    Auf alle Zeiten verstummen will ich, wenn dieses »Hey« soeben nicht rosarot klang!
    Tillman hatte ein paar schnelle Schritte auf das Haus zugemacht, doch unvermutet drehte er sich noch einmal um und wiederholte jenes Schwenken des Armes, das offenbar erneut als Einladung zu einem Rundgang gemeint war. Dann lief er weiter und verschwand gleich darauf im Haus.
    Fanni zögerte keine Sekunde. Zügig hielt sie auf den Schuppen zu, aus dem Michaela Kofler soeben gekommen war, öffnete die Brettertür und trat ein. Drinnen herrschte Dämmerlicht, sodass es eine Weile dauerte, bis sich ihre Augen angepasst hatten.
    Als Erstes registrierte sie, wie wenig Platz der Innenraum des Schuppens bot. Er erwies sich als so eng, dass Sprudel, der ihr gefolgt war, sich mit dem Rücken gegen den Türpfosten pressen musste.
    An der hinteren Schmalseite waren etliche Ster Brennholz aufgeschichtet, die mehr als die Hälfte des Raumes verbarrikadierten. Dort, wo die Holzscharen endeten, reihten sich allerlei Gerätschaften an den Wänden. Fanni machte eine Schubkarre aus, mehrere Sensen und Rechen sowie einen Stapel löchriger Flechtkörbe. Erst als ihr Blick in die Mitte des Schuppens glitt, entdeckte sie ein Tischchen und einen Hocker. Beides war aus Holz gehauen, grau vor Alter, morsch und spröde. Umso erstaunlicher wirkte die weiße

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