Milchbart (German Edition)
Fenster schien es nichts als Dunkelheit zu geben.
Sie verschluckt das Licht der Parklaternen wie ein schwarzes Loch im Weltall Materie!
Fanni wollte den Arm ausstrecken, um nach dem Schalter der Nachttischlampe zu tasten, ließ es jedoch bleiben, weil ihr im selben Augenblick einfiel, dass sie das Kabel am Morgen aus der Steckdose gezogen und durch das Ladegerät ihres Handys ersetzt hatte.
Biete aufgeladenes – allerdings ausgeschaltetes – Handy gegen Leitstrahl, der den Weg ins Badezimmer weisen kann!
Nicht nötig, fuhr Fanni ihrer Gedankenstimme über den Mund. Die vorhandene Lichtquelle dürfte reichen.
Soeben war ihr nämlich aufgefallen, dass vom Flur ein schmaler Lichtstreifen unter der Zimmertür durchsickerte. Zudem begannen sich ihre Augen den Lichtverhältnissen anzupassen, sodass sie meinte, ohne weitere Beleuchtung auszukommen.
Fanni schwang die Beine aus dem Bett. Kaum saß sie aufrecht, merkte sie, wie ihr schwindelig wurde.
Wenn du nicht Gefahr laufen willst, umzukippen, wirst du auf allen vieren ins Bad kriechen müssen!
Das werden wir ja sehen, begehrte Fanni auf und stemmte sich von der Bettkante hoch.
Im selben Moment spürte sie die Hände auf ihrem Körper.
Sie fühlten sich so vertraut und so verlässlich an, dass sie sich ihnen vollkommen hingab.
Fanni schloss einfach die Augen, überließ sich jenen Händen und einer ausgeprägten Empfindung der Geborgenheit, die sie in ihr erweckten.
Die bewährten Hände führten sie und halfen ihr, sich auf die Toilette zu setzen.
Während Fanni pinkelte, wurde sie fest in behaglichen Armen gehalten. Sie neigte den Kopf und legte ihn an eine faltige Wange, die sich warm und nass anfühlte. Über das Plätschern in der Kloschüssel hinweg glaubte sie ein Flüstern zu hören: »Herrgott im Himmel, gibt mir meine Fanni zurück.«
Sobald sie fertig war, wurde sie trocken getupft, aufgerichtet und zum Bett zurückgebracht.
Als Sprudel die Zudecke über sie breitete, schlief sie bereits wieder.
Fanni wachte auf und fühlte sich regelrecht munter. Im Zimmer war es hell, draußen schien die Sonne.
»Aufstehen«, sagte sie laut.
Fragt sich, wie sich das auswirken wird!
Lass uns einfach die Probe aufs Exempel machen, dachte Fanni und schlug die Bettdecke zurück.
Aber auch als sie aufrecht stand, spürte sie kein Unwohlsein; auf dem Weg ins Badezimmer wurde ihr weder schwindelig noch übel.
»Na also, klappt doch«, verkündete sie.
Als sie sich auf die Toilette setzte, musste sie lächeln. Da hatte sie doch heute Nacht tatsächlich geträumt, dass Sprudel sie in den Armen hielt, während sie gepinkelt hatte.
Bist du sicher, dass das ein Traum war?
Fanni zuckte zusammen. Er hat mich sogar abgetupft – da unten.
Na und, schon vergessen, was dir Leni berichtet hat? Du und Sprudel, ihr habt ein gutes Jahr lang als Paar zusammengelebt!
Trotzdem.
Fanni stieg die Röte ins Gesicht.
Ihre Wangen brannten noch, als sie nach dem Duschen und Zähneputzen wieder in ihr Zimmer trat.
Mitten im Raum stand Schwester Rosa.
Sie musterte Fanni eine Weile prüfend, dann klatschte sie in die Hände. »Wir haben uns ja ganz prima erholt. Sogar ein bisschen Farbe haben wir bekommen. Da können wir doch auf der Stelle zum Frühstücken runtergehen.«
»Klar können wir das«, erwiderte Fanni. »Wir sind sozusagen schon unterwegs.« Sie griff nach ihrer grauen Hose, die über der Lehne der Louis-quinze-Imitation hing. Die braune, die sie gestern bei ihrem unfreiwilligen Bad im Teich getragen hatte, war nirgends zu sehen.
»Ich habe Ihre durchnässte Kleidung zur Wäscherei bringen lassen«, sagte Schwester Rosa.
»Danke«, erwiderte Fanni aufrichtig.
Und wer hat deine graue Hose aus dem Schrank geholt?
Als Fanni hineinschlüpfte, klopfte es an der Tür. Sie beeilte sich, den Hosenbund zu schließen, bevor sie sich mit einem »Ja bitte« meldete.
Sprudel trat ins Zimmer. Er sah müde und besorgt aus, schien jedoch frisch rasiert –
Mhm, wie gut sein Rasierwasser riecht! Davidoff? Lagerfeld?
– und er trug ein frisch gebügeltes Hemd. Offenbar kam er von zu Hause.
Er schaute Fanni prüfend an, dann breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus. »Du siehst erholt aus.« Sprudels Lächeln war so zärtlich und so liebevoll, dass es Fanni schier schmerzte.
Es erlosch, als er Schwester Rosa bemerkte, die sich am Fenster zu schaffen gemacht hatte. »Warum haben Sie Herrn Seibold gestern Mittag K.-o.-Tropfen in den Tee getan?«, fragte er so
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